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Paläontologie

100 Millionen Jahre alte Amöben entdeckt

Erstmals Existenz spezieller Mikroorganismen in der Kreidezeit nachgewiesen

Amöbe Phryganella paradoxa © Uni Jena

Fünf Gramm Bernstein und viel Geduld – mehr brauchte Alexander Schmidt nicht für seine sensationellen Entdeckungen. Der Biologe, von der Universität Jena hat Einschlüsse in hunderten von Bernsteinsplittern untersucht. In dem Harz von Bäumen, die vor 100 Millionen Jahren in der Kreidezeit wuchsen, entdeckte er einen hochinteressanten biologischen Mikrokosmos.

„Es sind Arten darunter, die von ihren heutigen Nachfahren nicht zu unterscheiden sind. Andere wiederum sind urtümliche Formen, die heute so nicht mehr existieren“, nennt Schmidt einige seiner Ergebnisse. Herausragende Funde sind die im fossilen Harz eingeschlossenen beschalten Amöben. Da diese einzelligen Urtiere fast nur aus Wasser bestehen und nur eine dünne Schale aufweisen, werden sie selten als Fossilien aufgefunden. Erstmals konnten sie nun wegen der guten Erhaltung mit heute lebenden Vertretern verglichen werden.

Ausgangspunkt für Schmidts Entdeckung ist eine private Bernstein-Sammlung aus dem Gebiet des Schliersees in den bayerischen Alpen. Forschungsschwerpunkt des inzwischen emeritierten Limnologen sind Thekamöben. Die mit Schalen versehenen Amöben kommen im Wasser und anderen feuchten Lebensräumen vor. „Wir haben in den Bernsteinsplittern gezielt nach ihren Vorfahren aus der Kreidezeit gesucht“, berichtet Schmidt.

Identifikation einzelliger Lebewesen schwierig

Im Gegensatz zu den bekannten in Bernstein eingeschlossenen Insekten, ist die Identifikation einzelliger Lebewesen weitaus schwieriger. „Mit speziellen Präparationsmethoden und modernen Mikroskopier-Techniken ist es uns gelungen, die Einzeller sicher von anderen winzigen Einschlüssen, wie Luftbläschen oder Öltröpfchen zu unterscheiden“, berichtet der Biologe. Gefunden hat er letztlich nicht nur Thekamöben sondern auch Bakterien, Algen, Wimperntierchen sowie archaische Pilze. „Vertreter dieser verschiedenen Organismengruppen haben offenbar im gleichen Lebensraum zur gleichen Zeit nebeneinander existiert“, deutet Schmidt seine Funde. „Noch nie wurden solch artenreiche Vergesellschaftungen von Mikroorganismen aus einem fossilen Harz beschrieben“, begeistert er sich.

Alexander Schmidt, der in Jena neben dem Biologie- auch ein geowissenschaftliches Zusatzstudium absolviert hat, gibt sich nicht mit der biologischen Seite zufrieden. So hat er einen Harzchemiker zu Rate gezogen, um herauszubekommen, von welchen Bäumen das fossile Harz stammt. Die bis 10 mm dicken Bernsteinfragmente wurden in unmittelbarer Nachbarschaft von fossilen Pflanzenresten aufgefunden. Untersuchungen ergaben, dass die illustre Mikrogesellschaft an der feuchten Baumrinde von Kiefern oder in der Nähe der Bäume in Wasseransammlungen auf dem Waldboden lebte. Die Bäume wiederum, das hat Schmidt anhand von Dünnschliffen des umgebenden Sediments bestimmt, wuchsen im Erdmittelalter (Mesozoikum) im Gebiet der heutigen bayerischen Alpen. Mit seiner geologischen Zusatzausbildung kann Schmidt sogar erklären, wie das Harz schließlich dorthin gekommen ist, wo es der bayerische Hobbysammler entdeckt hat.

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„Ursprünglich hatte man die Bernsteinstückchen für noch älter gehalten“, sagt Schmidt. Doch auch so sind sie wichtige stumme Zeugen der Zeit vor 100 Millionen Jahren, „ein erdgeschichtlich sehr interessantes Zeitalter, in dem drastische Veränderungen stattgefunden haben“, erklärt er. Der paläontologisch tätige Biologe mit geologischem Basiswissen hat die Bernsteinfragmente als Dauerleihgabe zu Forschungszwecken mit nach Berlin genommen, wo er nun im Naturkundemuseum versucht, ihnen weitere Geheimnisse über das Leben in längst vergangenen Zeiten zu entlocken.

(idw – Friedrich-Schiller-Universität Jena, 18.05.2004 – DLO)

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