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Biologie

Antihaftschicht rettet Wanzen vor klebrigem Tod

Weichwanzenart nutzt Insektenfalle als Habitat

Eine Weichwanze (Pameridea roridulae) saugt eine Fruchtfliege aus, die auf der extrem klebrigen Blattoberfläche der südafrikanischen Pflanze Roridula gorgonias festklebt. Die eingefügten Bilder zeigen schematische Darstellungen der angenommenen Interaktionen zwischen dem klebrigen Pflanzensekret (orange) und der Insektenkutikula (violett) mit Anti-Haftschicht (gelb). Im Fall der Wanzen wird ein Haften des Pflanzenklebstoffs verhindert (unten). © Dagmar Voigt und Stanislav Gorb / MPI für Metallforschung

Warum sich alle Insekten rettungslos im Klebsekret der südafrikanischen Wanzenpflanze verfangen – aber eine bestimmte Weichwanzenart unbehelligt bleibt, das haben jetzt deutsche Wissenschaftler herausgefunden und im „Journal of Experimental Biology“ veröffentlicht. Der Trick: Die Weichwanzen scheiden einen dicken, schmierigen Sekretfilm aus, der als Anti-Haft-Schicht wirkt. Er verhindert das Ankleben der Wanzen auf der klebrigen Pflanzenoberfläche.

Es gibt nichts, was im Haus mehr nervt, als eine herumschwirrende Fliege. Südafrikaner haben eine ausgefallene Lösung für dieses Problem entdeckt: Sie hängen Blätter einer Pflanze auf, die mindestens genauso erfolgreich wirken wie herkömmliche klebrige Fliegenbänder. Es sind die Blätter der Pflanze Roridula gorgonias. Ihre Drüsenhaare sondern ein extrem klebriges, visko-elastisches, harziges Sekret ab. Damit werden zahlreiche fliegende Insekten mit beachtlicher Körpergröße, wie beispielsweise Schmeißfliegen oder Motten, gefangen.

Da die Pflanze keine Verdauungsenzyme bildet, kann sie die Insekten, die sie so zahlreich fängt, allerdings nicht verdauen. Die Weichwanzenart Pameridea roridulae macht sich das zunutze: Sie lebt in Symbiose mit dieser Pflanze und ernährt sich von den gefangenen Insekten. Die spannende Frage ist, wie diese kleine Wanze es schafft, eine Insektenfalle als Habitat zu nutzen.

Klebfalle wirkt nicht bei Wanzen

Dagmar Voigt und Stanislav Gorb vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart sind dieser Sache nachgegangen. „Wir haben die Wanze in einem Blatt von Roridula gorgonias komplett eingerollt“, erzählt Dagmar Voigt, „und waren völlig erstaunt, als wir das Blatt wieder entrollten und die Wanze unbehelligt weiterspazierte, wo andere Insekten total verklebt und hängen geblieben wären.“ Die Forscher nahmen daher die Oberfläche der Wanze genauer unter die Lupe, oder besser gesagt unter das Mikroskop.

Abwehrsekret verhindert Kontakt

Dabei stellten sie fest, dass die Wanzen mit einem schmierigen Sekret überzogen sind, welches die Insekten offenbar nicht-haftend macht. Eine Untersuchung frischer Gefrierbrüche der Kutikula, der außen liegenden Körperdecke, mit dem Kryo-Rasterelektronenmikroskop offenbarte, dass diese Schicht mit 620 Nanometern 30-mal dicker war als beispielsweise bei der Schmeißfliege, die zu den typischen Beuteinsekten von R. gorgonias zählt. Die dicke Sekretschicht verhindert den Kontakt des Pflanzenklebstoffs mit der Kutikula der Wanzen, während die dünne Schicht bei den Fliegen lückenhaft ist und somit ausreichend unbedeckte Kutikulaflächen bleiben, die einen sicheren Kontakt zwischen Klebstoff und Insekt ermöglichen.

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Befreiungsversuche sinnlos

Im Gegensatz zu den Wanzen klebt die Schmeißfliege schnell an den Blättern von Roridula gorgonias fest. Die Klebekräfte auf der Fliegenkutikula sind dabei bis zu zehnmal stärker als auf der Wanzenkutikula. „Versucht eine festgeklebte Fliege sich durch Zappeln wieder zu lösen und zu entkommen, so können sich Sekretfäden von bis zu fünf Zentimeter Länge bilden, in denen sich die Insekten mehr und mehr verfangen“, erklärt Voigt. Bei der Kutikula der Wanzen reißen diese Ziehfäden nach maximal anderthalb Zentimetern wieder ab, wobei die Wanzen halb soviel Energie wie die Fliegen aufwenden müssen.

(MPG, 11.08.2008 – NPO)

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