Neue Wege in der Hirnforschung haben Forscher jetzt mit einer neuartigen Verbindung von lebenden Nervenzellen und einem künstlichen Modell entwickelt. Dabei bilden die Neuronen erstmals ein dreidimensionales Netzwerk auf Kügelchen aus Glas, die in Dichte und Struktur genauso geformt sind wie ein Gehirn.
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Wie verständigen sich Nervenzellen untereinander? Unter welchen Bedingungen bilden sie neue Nervenverbindungen im Gehirn? Diese und andere wichtige Fragen der neuronalen Grundlagenforschung sind im lebenden Organismus sehr schwer zu erforschen, da das Gehirn komplex ist und es nur sehr eingeschränkt möglich ist, die Aktivität mehrerer Zellen gleichzeitig zu erfassen. Sophie Pautot, Forschungsgruppenleiterin am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und ihre Kollegen von der kalifornischen Universität in Berkeley entwickelten nun erstmalig ein künstliches Modellsystem, in dem lebende Nervenzellen auf Kügelchen aus Glas ein dreidimensionales Netzwerk bilden.
Glaskügelchen als Gerüst
In der aktuellen Augustausgabe von Nature Methods beschreiben die Forscher die neuartige Methode bei der die im Mikroskop unsichtbaren Glaskügelchen ein bewegliches, „mehrstöckiges“ Gerüst bilden. Auf diesem können die lebenden Nervenzellen zu einem dreidimensionalen Netzwerk wachsen, das in Dichte und Struktur genauso geformt ist wie das eines Gehirns.
Bisher war Forschern die Bildung künstlicher Nervennetzwerke nur auf zweidimensionaler Ebene gelungen. Durch spezielle Beschichtungen der Kügelchen kann außerdem die Ausrichtung der wachsenden Nervenzellen bestimmt werden kann, wodurch Wachstumsprozesse von Synapsen (Kontaktstellen zwischen Nervenzellen) begünstigt werden.
Blick auf das Nervensystem als Ganzes
Die Vorteile der durch Pautot und ihre Kollegen entwickelten Methode sind vielfältig: durch die Verlagerung einzelner Glaskügelchen ist die genetische Manipulation einzelner Nervenzellen problemlos möglich.“Mit diesem Verständnis kann es in Zukunft möglich sein für Krankheiten des
Nervensystems, wie zum Beispiel Parkinson oder Alzheimer, neue Therapien zu entwickeln“ erklärt Pautot. „In der Grundlagenforschung eröffnen sich durch die neue Methode allerdings schon jetzt neue Möglichkeiten das Nervensystem als Ganzes zu erforschen.“ Die Pharmaindustrie kann die Methode bei Medikamenten einsetzen, die auf die Heilung von Nerven abzielen. So kann der Einfluss der Medikamente auf ein größeres Nervennetzwerk getestet werden kann, das ähnliche Eigenschaften wie das gesamte Nervensystem besitzt.
In Zukunft möchten Sophie Pautot und ihre Kollegen von der kalifornischen Berkely Universität das 3D-Modell mit verschiedenen anderen Neuronen testen, sowie neue Mikroskopie-Techniken entwickeln, die es ermöglichen alle Ebenen des 3D Netzwerkes abzubilden. Die Methode der 3D-Netzwerke ist so neuartig, dass optisch nicht alle Ebenen mit herkömmlichen Techniken abgebildet werden können.
(Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden, 23.07.2008 – NPO)