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Biotechnologie

Stammzelllinien aus Vierzell-Embryo erzeugt

Gewinnung embryonaler Stammzellen damit effektiver

Zum ersten Mal ist es Wissenschaftlern gelungen, embryonale Stammzelllinien aus Einzelzellen des Vierzell-Stadium eines Embryos zu gewinnen. Damit könnten zukünftig aus einer befruchteten Eizelle vier Stammzelllinien erzeugt werden – und so der ethisch umstrittene Verbrauch von Embryonen zu Forschungszwecken möglicherweise deutlich reduziert werden.

Die Mehrheit der zurzeit etablierten embryonalen Stammzelllinien stammt aus den inneren Zellen der Blastozyste, einem Stadium drei bis vier Tage nach Befruchtung der Eizelle. Zu diesem Zeitpunkt beginnt sich der Embryo in einen inneren und einen umhüllenden äußeren Zellbereich zu gliedern.

Jetzt ist es Forschern der Freien Universität Brüssel erstmals gelungen, Stammzelllinien sehr viel früher, aus den einzelnen Zellen des Vierzell-Stadiums eines Embryos, zu gewinnen.

Einer von zwölf Versuchen erfolgreich

In ihrem neuen Verfahren nutzten die Wissenschaftler reife Spendereizellen von Frauen, die sich einer Behandlung zur künstlichen Befruchtung unterzogen hatten. Die Eizellen wurden – nach Einholen der entsprechenden Einwilligung – mit den Spermien von Samenspendern befruchtet und in Kultur gehalten. Drei Vierzell-Embryonen wurden dann in ihre jeweils vier Zellen geteilt und diese weiter gezüchtet, so dass insgesamt zwölf Blastomeren entstanden. Aus diesen entnahmen die Wissenschaftler Stammzellen und versuchten, diese zu Linien zu kultivieren.

Aus einer dieser Versuche entstand dabei tatsächlich eine stabile Stammzelllinie. Dies ist nach Ansicht der Forscher der Beleg dafür, dass auch eine Einzelzelle im Vierzell-Stadium uneingeschränkt pluripotent sein muss – ein Fakt, der bisher nicht sicher geklärt war.

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Einzelzelle pluripotent

„Zuvor waren Forscher zwar in der Lage, Stammzellen aus dem Achtzell-Stadium zu gewinnen”, erklärt Hilde Van de Velde, Leiterin der Studie. „Aber die Erfolgsraten waren sehr niedrig und es war nötig, diese Zellen zusammen mit bereits existierenden Stammzelllinien in Kultur zu halten um daraus Linien zu erzeugen. Uns ist es nun gelungen, Stammzelllinien aus einem früheren Stadium der Embryonalentwicklung zu gewinnen – und dies ohne dass wir eine Co-Kultur mit etablierten Stammzelllinien benötigten.“

Inzwischen hat das Wissenschaftlerteam noch eine zweite Stammzelllinie auf diese Weise erzeugt – und damit den Beleg geliefert, dass die Methode nicht nur relativ einfach, sondern auch reproduzierbar ist. Als nächsten Schritt wollen die Forscher nun versuchen, aus einem einzigen Embryo im Vierzellstadium vier Zelllinien auf einmal zu entwickeln, um sicherstellen zu können, dass auch wirklich alle vier Zellen dieses Stadiums gleich pluripotent sind.

„Wir müssen zudem feststellen, ob die Entnahme einer Einzelzelle im Vierzell-Stadium die Fähigkeit des Embryos, sich zu einem gesunden Kind zu entwickeln, negativ beeinflusst im Vergleich zur Entnahme von einer Zelle im Achtzell-Stadium“, so Van de Velde.

Konsequenzen für Präimplantationsdiagnostik

Der neue Durchbruch könnte auch für die Präimplantationsdiagnostik größere Auswirkungen haben. Denn bisher werden für die genetische Analyse Zellen aus späteren Stadien des Embryos entnommen. „Zurzeit wird die Präimplantationsdiagnostik im Achtzell-Stadium durchgeführt. Dabei werden ein oder zwei Zellen entnommen“, erklärt Van de Velde. „Jetzt könnten wir dies in den Fällen nach vorne verschieben, in denen es uns um den HLA-Typ geht.“ Der HLA-Typ (Human Leukocyte Antigen) spielt eine wichtige Rolle dafür, dass das Immunsystem Zellen als eigen oder fremd erkennt.

Wenn diese Eigenschaft des zukünftigen Embryos schon im pluripotenten Vierzell-Stadium festgestellt werden kann, dann wäre es beispielsweise möglich, schon in dieser frühen Phase festzustellen, ob er in seinem HLA-Typ mit einem bereits existierenden Geschwisterkind übereinstimmt. Das Nabelschnurblut des späteren Neugeborenen könnte dann gezielt dazu genutzt werden, um dieses mittels Zellspende von einer Krankheit wie beispielsweise Leukämie zu heilen.

Ethisch unumstritten ist ein solches Vorgehen allerdings keineswegs. Doch die Forscherin betont, dass auch das neugeborene Kind selbst profitiert: „Wir könnten dann sogar schon während der Schwangerschaft der Mutter mit einem HLA-bestimmten Baby eine Stammzelllinie für dieses Kind erzeugen“, so die Forscherin, „um eine zusätzliche Quelle für passende Knochenmarkszellen parat zu haben.“

(European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE), 10.07.2008 – NPO)

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