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Neurobiologie

Gesten folgen sprachunabhängiger Grammatik

Nonverbale Kommunikation mit einheitlicher Reihenfolge der Satzbausteine

Abfolge von Gesten bei der Beschreibung einfacher Abläufe (Junge hebt Glas zum Mund, Kapitän schwingt Eimer) © University of Chicago

Der Satzbau ist eines der auffallendsten Charakteristiken einer Sprache – und ein Unterscheidungsmerkmal. Aber gilt dieser Unterschied in der grammatikalischen Wortfolge auch für Gesten? Eine Experiment amerikanischer Forscher zeigt, dass es eine sprachunabhängige, natürliche Grammatik der nonverbalen Kommunikation zu geben scheint.

„Es ist wenig überraschend, dass Sprecher verschiedener Sprachen beim Beschreiben von Ereignissen die Wortreihenfolge nutzen, die für ihre jeweilige Sprache typisch ist“, erklärt Susan Goldin-Meadow, Hauptautorin der jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienenen Studie. „Die Überraschung ist, dass die gleichen Sprecher diese Reihenfolge ignorierten, wenn sie nicht den Mund, sondern die Hände nutzen sollen um zu kommunizieren.“

Beschreibung in Gesten und Worten

Für ihre Studie testete das Forscherteam 40 Personen aus vier unterschiedlichen Sprachräumen: Englisch, Mandarin chinesisch, Spanisch und Türkisch. Den Probanden wurden kurze Videosequenzen vorgeführt, deren Inhalt sie anschließend erst mit Worten, dann nur mit Gesten wiedergeben sollten. Weitere 40 Versuchspersonen erhielten nach den Videosequenzen Folien, die einzelne Schritte der gezeigten Sequenzen enthielten.

In den Videos dargestellt waren einfache Abfolgen von Ereignissen, beispielweise eine Frau winkt, eine Ente watschelt zu einer Schubkarre, eine Frau dreht einen Türknauf und ein Mädchen gibt einem Mann eine Blume. Einige Filme bestanden dabei aus Realbildern, andere aus stilisierten Spielzeugfiguren.

Diskrepanz zwischen Sprachgrammatiik und Gestengrammatik

Das Ergebnis: Wenn die Versuchspersonen die Ereignisse mit Worten beschrieben, nutzten sie die grammatikalische Wortabfolge, wie sie für ihre jeweilige Sprache charakteristisch war: Englisch, spanisch und chinesisch Sprechende benannten erst das Subjekt, dann Verb und Objekt. Türkisch Sprechende dagegen nannten erst das Subjekt, dann das Objekt und als letztes das Verb.

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Wenn jedoch die Probanden das gleiche Geschehen mit Gesten kommunizierten, nutzten alle, unabhängig von ihrer Muttersprache die gleiche Reihenfolge: erst Subjekt, dann Objekt, dann Verb. Ähnlich verhielten sich auch die Versuchspersonen, die die Ereignisse mittels Folien beschreiben sollten.

Gibt es eine „ursprüngliche“ Grammatik?

Nach Ansicht der Forscher weist diese Diskrepanz zwischen Sprache und nonverbaler Kommunikation, aber auch die Grammatik, die für Zeichensprachen verschiedenster Art genutzt wird, darauf hin, dass die Abfolge Subjekt, Objekt, Verb möglicherweise eine Art fundamentaler „Urgrammatik“ darstellen könnte. Ein Indiz dafür ist auch, dass gehörlose Kinder, die ihre eigenen Gebärdensprache entwickeln, ebenfalls fast immer dieser Reihung folgen.

Das Ergebnis der Experimente überrascht jedoch nicht nur, es steht auch in Widerspruch zur gängigen Theorie, nach der die Sprache, die wir sprechen, auch unser nonverbales Denken prägt. „Unsere Daten deuten dagegen daraufhin, dass die Reihung, die wir nutzen, wenn wir Ereignisse nonverbal kommunizieren, nicht durch die Sprache beeinflusst wird“, so Goldin-Meadow. „Stattdessen scheint es eine Art natürlicher Reihenfolge zu geben.“

(University of Chicago, 08.07.2008 – NPO)

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