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Technik

Kunststoff-Kissen für Karl den Kühnen

Vermesser verhelfen mittelalterlichem Kleinod zur Reise nach Bern

Kunststoff für Karl den Kühnen: den emaillierten Goldfiguren sieht man nicht an, dass das Kissen, auf dem der Edelmann kniet, eine Replik ist. © Hochschule Bochum

Karl der Kühne galt zu seiner Zeit (1433 – 1477) als einer der reichsten Fürsten Europas. Deshalb ist in Bern noch bis Ende August 2008 eine Ausstellung über ihn zu sehen, zu der auch eine Goldfigur gehört, die Karl den Kühnen kniend auf einem Kissen aus Gold und blauer Emaille zeigt. Eine Leihgabe aus dem Lütticher Domschatz. Doch wie kann man das Kunstwerk in die Schweiz transportieren, ohne das wertvolle, aber sehr zerbrechliche Kissen zu zerstören? Bochumer Wissenschaftler haben eine Lösung für dieses Problem gefunden: Ein Kunststoff-Kissen für Karl den Kühnen.

Berühren verboten

Die Idee von Professor Heinz-Jürgen Przybilla und seinen Studenten vom Fachbereich Vermessung und Geoinformatik an der Hochschule Bochum war, eine Kopie des wertvollen Kissens herzustellen, das exakt dieselbe Form annehmen sollte wie das Original aus dem 15. Jahrhundert. Meist wird dafür ein Silikonabdruck angefertigt und daraus dann später eine Replik gegossen. Da das Kissen Karls des Kühnen aber hochempfindlich ist – schon die kleinste Berührung kann die Emaille zum Bröckeln bringen – war eine berührungslose Messung der Reliquie notwendig.

Für die Bochumer Wissenschaftler kamen nur zwei optische Messsysteme in Frage: Entweder sollte ein Streifenprojektionssystem angewandt oder ein neuartiger Messarm mit Lasersensor zum Einsatz kommen. „Wir waren uns zunächst nicht sicher, ob eine Messung des Kissens überhaupt möglich ist“, sagt Przybilla, „eine goldene und emaillierte Oberfläche ist mit einem optischen Verfahren schwierig zu messen, weil etwa die Emaille das Licht sehr stark reflektiert, es zu Überstrahlungen kommt und die Sensorkamera die reflektierten Signale nicht mehr erfassen kann.“

Vermessung mit beweglichem Laserarm

Für die Vermessung des Kissens reisten Przybilla und sein Mitarbeiter, Nicolas Kozuschek, im vergangenen Jahr zum Lütticher Domschatz. Schnell stellte sich heraus, dass die Befürchtungen der Bochumer Vermessungsingenieure nicht zutrafen – die Vermessung mit dem beweglichen Laserarm verlief problemlos und lieferte präzise Ergebnisse.

Kreuzweise wurde das Kissen vom Laserarm abgetastet, eine Kamera übertrug die Daten auf einen Computer. Dabei wurde das Relief der Kissenoberfläche vom Laserstrahl erfasst. „Wir messen 60 Linien pro Sekunde, das entspricht 30.000 Oberflächenpunkten“, erklärt Przybilla. Heraus kam am Ende ein „wasserdichtes“, das heißt vollständig geschlossenes dreidimensionales Oberflächenmodell.

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„Insgesamt haben wir rund zwei Millionen Punkte gemessen, die einzelnen Punkte wurden dreiecksvermascht und daraus die Oberfläche generiert“, erläutert der Professor. Diese Oberfläche existierte aber bisher nur als virtuelles Objekt auf dem Rechner. Um letztlich eine wirkliche Kopie des Kissens in den Händen halten zu können, mussten die Kollegen des Fachbereichs Mechatronik und Maschinenbau aushelfen.

Der ungeschmückte Rohling des Kissens, der nach der Vermessung des Originals im Rapid-Prototyping-Verfahren entstanden ist. Die exakte Nachbildung ermöglicht haben Prof. Heinz-Jürgen Przybilla und seine Mitarbeiter vom Fachbereich Vermessung und Geoinformatik der Hochschule Bochum. © Hochschule Bochum

Kleiner Trick erfolgreich

„Wir haben uns dort auf Basis unserer Daten ein Kunststoffmodell erstellen lassen“, erklärt Przybilla. Ein wenig per Hand nachgeglättet und bearbeitet, wurde von dem fertigen Kunststoffmodell, das von der Form her nun nicht mehr vom Original zu unterscheiden ist, ein Silikonabdruck gemacht (das Negativ), um daraus die endgültige Kopie aus Messing zu erstellen. Schließlich wurde die Replik noch mit Gold überzogen, emailliert und von der Restauratorin Beatrice Pfeifer in liebevoller Kleinarbeit originalgetreu mit winzig kleinen Stanzen verziert.

Seit April kniet nun Karl der Kühne auf der Kopie des Kissens im Berner Historischen Museum. Den Besuchern dürfte der „kleine Trick“ bisher nicht aufgefallen sein.

(idw – Hochschule Bochum, 27.06.2008 – DLO)

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