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Umwelt

Gebeiztes Saatgut als Bienentod

Forscher legen neue Analyse-Ergebnisse vor

Probenergebnisse Baden-Württemberg © Julius Kühn-Institut

Mit Clothianidin gebeiztes Saatgut ist höchstwahrscheinlich die Hauptursache für das Bienensterben in Baden-Württemberg und Bayern vor einigen Wochen. Dies gab jetzt das mit der Untersuchung der Fälle beauftragte Julius Kühn-Institut bekannt. Die Forscher bestätigten damit erste Ergebnisse, die bereits kurz nach dem Auftreten der Fälle veröffentlicht wurden.

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Von den bisher 66 im Zusammenhang mit den Schadfällen „Maisaussaat“ untersuchten Bienenproben wiesen die chemischen Analysen des JKIs bis auf eine Ausnahme den Wirkstoff Clothianidin nach. Während 27 Proben zwischen zwei und zehn Mikrogramm Wirkstoff pro Kilogramm (kg) Bienen enthielten, wiesen 32 Proben einen Gehalt zwischen zehn und 100 Mikrogramm/kg Bienen auf. In einer Probe fanden die Forscher sogar 212 Mikrogramm Wirkstoff/kg Biene.

Giftige Staubwolken

Die in den letzten Wochen durchgeführten Untersuchungen des JKIs bestätigen darüberhinaus die Vermutung, dass Clothianidin während der Aussaat des Mais von diesem abgerieben wurde und die entstandenen Stäube über die Luft auf blühende und von Bienen beflogene Pflanzen gelangt sind.

Speziell zu den in der Rheinebene in Baden-Württemberg und Bayern aufgetretenen Bienenvergiftungen mit Verdacht auf Schadursache Maisaussaat erhielt das JKI vom 30. April bis 3. Juni 156 Proben. Sie stammten aus Gebieten, in denen Saatgut zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers mit dem Wirkstoff Clothianidin behandelt worden war. Das Mittel dient zum Schutz der Nutzpflanzen vor schädlichen Insekten wie Drahtwürmern und Fritfliegen.

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Pollenspektrum untersucht

Die Untersuchung des Pollenspektrums aus dem Haarkleid der Bienen ergab in den bisherigen Proben, dass überwiegend viele verschiedene Trachtpflanzen und nicht ausschließlich Massentrachten wie Raps oder Obst beflogen wurden. In einigen Proben überwog der Anteil an Rapspollen. Viele der bisherigen Pollenanalysen zeigen einen hohen Anteil an Löwenzahn- und Ahornpollen, deren Blühzeitpunkt in den Schadregionen gleichzeitig mit der Aussaatzeit von Mais lag, so das JKI.

Diese Ergebnisse lassen nach Angaben der Wissenschaftler darauf schließen, dass nicht Fehlanwendungen in einer einzelnen Kultur wie Raps oder Apfel als Schadursache in Frage kommen. Sie bekräftigten den Verdacht, dass die verschiedenen Trachtpflanzen mit Clothianidin kontaminiert waren.

Die Bienenschäden können auf jeden Fall nicht mit dem Auftreten von Bienenkrankheiten erklärt werden, so das JKI. Der Befall mit Nosema-Sporen war nur in zwei der untersuchten Proben hoch; in 17 Proben wurde ein mittlerer Befall, in 47 Proben ein geringer Befall festgestellt. Die Wissenschaftler entdeckten zudem keine Anzeichen auf weitere Bienenkrankheiten bei diesen Bienenproben.

Abrieb von gebeiztem Maissaatgut

Der eindeutige Nachweis der Herkunft des Clothianidins aus dem Abrieb des Saatguts wurde über den gleichzeitigen Nachweis des Wirkstoffs Methiocarb bestätigt. Methiocarb, das zur Verhinderung von Krähenfraß angewandt wird, wurde bei einigen Chargen des gebeizten Maissaatguts zusätzlich eingesetzt.

Eine Auswahl der eingesandten Proben wird weiterhin gezielt auf das Existenz von mehreren hundert Wirkstoffen analysiert, um mögliche Wechselwirkungen mit anderen Substanzen oder andere Schadursachen zu erkennen. Allerdings ist ein Vergleich der Probenwerte mit den in Laborversuchen ermittelten Toxizitätsdaten wie zum Beispiel der mittleren letalen Dosis (LD50) aufgrund der Probennahme nicht oder nur in wenigen Fällen direkt möglich.

Wie analysiert man Bienenproben?

Mit einem ersten biologischen Test mit den sehr empfindlichen Larven der Gelbfiebermücke, dem so genannten Aedes-Test, kann rasch eine grundsätzliche Bewertung vorgenommen werden, ob das Probenmaterial (tote Bienen oder Pflanzen) für Bienen giftige Stoffe enthält oder nicht. Vorausgegangen sind Analysen zum Gesundheitszustand der Bienen wie Nosema oder Parasiten. Ebenso wird der den toten Bienen anhaftende Pollen analysiert, um den Ort näher zu bestimmen, an dem sich die Bienen kurz vor ihrem Tod aufgehalten haben.

Nur wenn mit dem Aedes-Test eine Kontaktgiftwirkung bei den Bienen oder den Pflanzenproben nachgewiesen werden kann, klärt das JKI in einem zweiten, sehr aufwändigen Verfahren, ob ein Pflanzenschutzmittel in den Proben nachgewiesen werden kann und um welches Mittel es sich handelt. Für den Nachweis von Rückständen der sehr unterschiedlichen Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in den Probenextrakten werden immer parallel LC/MS/MS- und GC/MS-Messungen durchgeführt.

Früher Verdacht bestätigt

Im Falle der jetzigen gravierenden Bienenschäden, bei denen der Verdacht schnell auf den Wirkstoff Clothianidin fiel, werden diechromatographischen Messergebnisse aller Proben zunächst mit Blick auf Clothianidin und Methiocarb ausgewertet, um rasch die erforderlichen Ergebnissen vorzulegen. Aus den eingesandten toten Bienen werden 200 Exemplare zufällig ausgesucht, zu einer Mischprobe verarbeitet und analysiert. Die ermittelten Werte der Analytik werden auf ein Kilogramm Bienen hochgerechnet (dies entspricht circa 10.000 Bienen).

(idw – Julius Kühn-Institut, 11.06.2008 – DLO)

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