140 Millionen Jahre lang stapften Riesen-Dinos mit gewaltigen Hälsen über die Kontinente der Erde. Manche dieser Sauropoden übertrafen an Größe und Gewicht alle anderen Lebewesen, die jemals das Land bevölkerten – und zwar mit Abstand. Doch wie kam es zum Gigantismus dieser Tiere? Warum schafften sie es zu überleben? Und wieso gibt es heute keine 100 Tonnen schweren Elefanten? Antworten auf diese und viele andere Fragen suchen zurzeit Wissenschaftler im Projekt „Biology of the Sauropod Dinosaurs: The Evolution of Gigantism“.
„Die gewaltigsten Sauropoden waren mächtiger als es die Naturgesetze erlauben. Sie brachten soviel Masse auf die Waage wie zehn ausgewachsene Elefanten oder 1.400 Durchschnittsdeutsche“, sagt Professor Martin Sander vom Steinmann-Institut der Universität Bonn. Erstaunlich ist, dass die Echsen bereits kurz nach ihrem Auftauchen vor rund 210 Millionen Jahren im Erdzeitalter des späten Trias diese enormen Ausmaße erreichten. Der Gigantismus hat sich nach den bisherigen Erkenntnissen in einer – erdgeschichtlich gesehen – kurzen Zeitspanne von nur zwei bis zehn Millionen Jahren entwickelt.
Um den „Größenwahn“ der Dinosaurier zu verstehen, müssen Wissenschaftler die Biologie von Apatosaurus, Diplodocus und Co und damit Lebensvorgänge wie Atmung, Wachstum, Entwicklung und Fortpflanzung enträtseln und nachvollziehen.
Grenzüberschreitende Gigantismusforschung
Genau damit beschäftigt sich dann auch das bunt gemischte Forscherteam der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit Physikern, Zoologen, Physiologen, Materialwissenschaftlern, Chemikern und natürlich Paläontologen in ihrem aktuellen Projekt.
Die Wissenschaftler von insgesamt acht deutschen und schweizerischen Universitäten wollen unter anderem wissen, welche Nahrung und welche Verdauungsstrategie den Giganten die nötige Energie lieferte. „Wir interessieren uns aber auch für die Atmung und die Sauerstoffversorgung der Tiere und suchen nach Anhaltspunkten dafür, welcher Knochenaufbau sie davor bewahrte, unter der eigenen Masse einzuknicken“, sagt Sander.
Detektivarbeit an Eiern und Knochen
Um diese Probleme zu lösen, ist für die Saurierexperten mühsame Detektivarbeit angesagt. Außer ausgegrabenen Knochen gilt es Fußspuren, Eier, Nester und vereinzelt sogar versteinertes Weichgewebe von Sauropoden zu untersuchen und zu analysieren. Mit dem dabei gewonnenen Wissen erstellen die Wissenschaftler dann am Computer Modelle, die den Bewegungsablauf und die Körperhaltung der Riesen sichtbar machen.
Leichtbauweise erklärt Sauerstoffversorgung und Nahrungsaufnahme
„Erste Ergebnisse belegen, dass die Sauropoden Leichtbaukonstruktionen waren, die wie die Vögel ihr Gewicht reduzierten, indem sie Luftsäcke in ihre riesigen Knochen einlagerten“, erklärt Sander. Die Verwandtschaft mit den Vögeln und eine Vogellunge könnten auch erklären, wie die riesigen Saurier an genügend Sauerstoff für ihren gewaltigen Körper gelangten.
Und noch ein Indiz spricht für die Theorie: Nur mit leichten Halsknochen wären die Dinos in der Lage gewesen, ihre langen Schlangenhälse überhaupt zu bewegen und an das für sie optimale Futter zu gelangen: Die Blätter von Araucarien-Bäumen. Sie waren das Nahrhafteste, was die Pflanzenwelt damals zu bieten hatte.
Gigantismus als Sackgasse
Doch noch bleibt viel zu tun, noch ist das Prinzip das hinter dem Riesenwuchs der Sauropoden steckt, nicht endgültig verstanden. Die Wissenschaftler um Sander wollen aber dafür sorgen, dass sich die einzelnen Wissensbausteine wie bei einem Puzzle nach und nach zusammenfügen.
Und vielleicht kann das Projekt am Ende sogar die Frage beantworten, warum der Gigantismus im Tierreich eine Sackgasse war und die Ära der Riesen-Dinos vor 65 Millionen Jahren plötzlich zu Ende ging…
Links:
dfg-science-tv.de/projekte/die-supersaurier.html
www.sauropod-dinosaurs.uni-bonn.de
(Professor Martin Sander, Steinmann-Institut der Universität Bonn, 06.06.2008 – DLO)