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Physik

Supraleiter schäumt wie Seifenlauge

Supraschaum folgt gleichen Gesetzmäßigkeiten

Supraschaum-Muster in einem einzelnen Kristall supraleitenden Bleis © Ruslan Prozorov

Was hat der Schaum auf dem Cappuccino mit einem Supraleiter zu tun? Mehr als man denkt. Denn Physiker haben jetzt festgestellt, dass magnetische Domänen in Supraleitern Muster bilden, die den Bläschen im Milchschaum nicht nur verblüffend ähneln, sondern auch den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgen. Wie sie in Nature Physics berichten, könnten sie daher als wertvolles Modell für alle Arten von Schaumbildung dienen.

Die Entdeckung hat ihren Ursprung im letzen Jahr, als der Physiker Ruslan Prozorov vom Ames Laboratorium in den USA ein Magnetfeld an eine Bleiprobe in einem magneto-optischen System anlegte. Überraschenderweise bildete sich dabei ein schaumähnliches Muster. Aber folgte dieser „Supraschaum“ auch den Gesetzmäßigkeiten der „normalen“ Schäume? Oder handelte es sich dabei trotz der Ähnlichkeiten um ein gänzlich anderes Phänomen. Um dies herauszufinden, tat sich Prozorov mit seinen Kollegen Paul Canfield, Andrew Fidler und Jacob Hoberg zusammen.

Gleiche Gesetzmäßigkeiten?

Die Analysen enthüllten, dass sich Supraschäume und normaler Schaum trotz ihrer unterschiedlichen Ursprünge – die Wände traditioneller Bläschen bestehen aus Materialien wie Spülmittel, Wasser oder Plastik, Supraschaum dagegen aus supraleitendem Blei – gleich in mehreren Aspekten gleichen. Einer davon ist der Prozess der Vergröberung, bei dem im Laufe der Zeit die einzelnen Bläschen wachsen oder schrumpfen und schließlich verschwinden. Bei den Supraschäumen tritt dies auf, wenn das Magnetfeld verändert wird. Der Mathematiker John von Neumann beschrieb die Rate dieses Prozesses bereits in einem mathematischen Gesetz.

„Dass von Neumanns Regel hier funktioniert, zeigt, dass der Schaumzustand tatsächlich eine spezifische Eigenschaft des Supraleiters ist“, erklärt Prozorov. „Supraschäume folgen dem Konzept der räumlichen Aufteilung, nach der eine Fläche am besten mit Polygonen mit drei Spitzen bedeckt wird, wenn man Hexagone nutzt.“

Polygonbildung im Supraschaum © Ruslan Prozorov

Bläschen-Wachstum widerlegt Lehrmeinung

Nach geltender Lehrmeinung steht das Verhalten eines Polygons in einem Schaum – ob das Bläschen schrumpft oder wächst – mit der Anzahl der Seiten des Polygons in Verbindung. Aber das Ames-Forscherteam hat diese Ansicht nun widerlegt. „In unseren Supraschäumen ist die Assoziation zwischen diesen beiden Faktoren Zufall“, so Prozorov. „Es gibt keine strikte Korrespondenz zwischen dem stabilsten Bläschentyp und der häufigsten Anzahl der Seiten in einem Bläschen.“ Stattdessen wuchsen alle Bläschen, unabhängig von ihrer Form, immer dann, wenn auch das angelegte Magnetfeld anstieg. Diese Entdeckung könnte ein wichtiger Beitrag zur Analyse auch der normalen Schäume bilden.

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„Es gibt bestimmte statistische Gesetze, die das Verhalten von Schaum bestimmen“, erklärt Prozorov. „Wir haben festgestellt, dass auch die Supraschäume diesen Regeln folgen. Jetzt können wir das, was wir über sie wissen auch auf alle anderen Schäume und schaumähnliche Systeme übertragen.“

Reversibles Modell

„In normalen Schäumen, wie Seifenschaum, ist die Zeit die Triebkraft der Veränderung“, so der Forscher weiter. „Man muss daher warten, bis die Bläschen austrocknen und das dauert manchmal Tage. Und es ist nicht reversibel. Wenn die Bläschen einmal geplatzt sind, verändern sich ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften und das erschwert das Experimentieren. In einer idealen Testsituation jedoch möchte man einfach einen Parameter verändern und dann schauen, wie sich die Struktur des Schaums wandelt.“

Der Supraschaum könnte den Forschern jetzt genau diese idealen Verhältnisse liefern. Denn hier sind es Temperatur und Magnetfeld, die die Bläschenmuster beeinflussen – und beide Parameter sind frei einstellbar und reversibel.

Hilfe auch für Supraleitungs-Physik

Aber auch für die Erforschung der Supraleiter bringt der Bleischaum wertvolle Einblicke. „Erst im letzten Jahr entdeckten wir zum ersten Mal dieses neue Muster in Supraleitern und jetzt haben wir belegt, dass der Schaumzustand tatsächlich eine ureigene Eigenschaft von supraleitendem Blei ist“, so Prozorov. „Das ist eine große Sache sowohl für die allgemeine Physik von Schäumen als auch für die Physik der Supraleitung. Denn die Erforschung der Physik von alltäglichem Seifenschaum oder, verlässlicher, Supraschaum, hilft uns auch, sehr komplexe, schwierige Fragen in anderen Bereichen zu verstehen.“

(DOE/Ames Laboratory, 06.06.2008 – NPO)

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