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Neurobiologie

Auslöser von Alzheimer entschleiert

Strukturdaten stehen nicht im Einklang mit den bisherigen Modellvorstellungen

Aufsicht auf den Querschnitt einer Alzheimer Amyloidfibrille (rot). Im Hintergrund: Amyloidablagerungen (braun) in Hirngewebe eines Alzheimerpatienten. © Sachse, Fändrich & Grigorieff

Wissenschaftlern ist es gelungen, das weltweit genaueste Bild des Auslösers der Alzheimer Krankheit zu erzeugen. Die jetzt in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorgestellte Struktur einer Alzheimer Amyloidfibrille – faserartige Verklumpungen von Eiweißen – hat eine Auflösung von weniger als zehn Angström.

Damit ist es nach Angaben der Forscher nun erstmals möglich, die Validität zahlreicher Modelle zur Entstehung und Wirkung von Amyloidfibrillen zu überprüfen. Erstaunlicherweise unterscheidet sich die gefundene Struktur von fast allen bisherigen Vorstellungen.

Amyloidfibrillen treten im Zuge des normalen Alterungsprozesses im Körper eines jeden Menschen auf. Ihr gehäuftes Vorkommen ist allerdings typisch für bestimmte Krankheiten wie Alzheimer oder Typ II Diabetes. Die genaue Bedeutung der Fibrillen für den Krankheitsprozess ist noch nicht abschließend geklärt, doch geht man davon aus, dass sie besonders wichtig sein könnten für die bei der Alzheimerschen Krankheit auftretenden Zerfallsprozesse im Gehirn. Ein wesentliches Problem dabei ist, dass man bislang nicht genau wusste, wie diese Fibrillen wirklich aussehen.

Computerprogramme verbessert

Marcus Fändrich und Carsten Sachse von der Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung ist es in Zusammenarbeit mit Nikolaus Grigorieff von der Brandeis Universität in Waltham/USA. gelungen, die weltweit genaueste Struktur der Alzheimer-Amyloidfibrille vorzulegen. Die Struktur besitzt eine Auflösung von unter zehn Angström und wurde mittels Elektronenmikroskopie ermittelt.

Eine Hauptschwierigkeit, die überwunden werden musste, bestand darin, dass die gängigen Verfahren zur Aufklärung der Struktur von Eiweißen bei Amyloidfibrillen aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften nicht genutzt werden können. „Wir mussten also einen ganz anderen Weg beschreiten, um ans Ziel zu gelangen, nämlich die Strukturbestimmung aufgrund elektronenmikroskopischer Bilder“, erklärt Fändrich. Den Wissenschaftlern gelang es, die bestehenden Computerprogramme zur Strukturberechnung aus elektronenmikroskopischen Daten entscheidend zu verbessern und schließlich auf Amyloidfibrillen anzuwenden.

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Bald neue Therapien?

Erstaunlicher Weise zeigte sich, dass die tatsächlich gefundene Struktur von fast allen früheren Vorstellungen über ihren Aufbau abweicht. Zwar halten die Forscher noch keine atomare Auflösung in Händen – das muss in weiteren Arbeiten noch erreicht werden -, aber den bisherigen Spekulationen über die mutmaßliche Struktur der Fibrille setzen die vorliegenden Strukturdaten doch ein Ende. Endlich ist es möglich, die Validität früherer Modelle direkt zu überprüfen. „Und dabei zeigte sich, dass praktisch keines der früheren Modelle mit unserer Struktur übereinstimmt“, sagt Fändrich. Die Zahl der Möglichkeiten ist nun entscheidend eingegrenzt.

Die genaue Kenntnis der Struktur von Amyloidfibrillen könnte potenziell neue Therapieansätze entstehen lassen, „da man dann wirklich weiß, wie der Gegner aussieht, den man zu bekämpfen hat“, so der Zellbiologe.

(MPG, 03.06.2008 – DLO)

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