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Technik

Elektronische Zunge unterscheidet sieben Apfelsäfte

Feinschmecker-Elektrode aus Gold in Tests erfolgreich

Fraunhofer-Forscher haben das Geschmacksvermögen von elektronischen Zungen verbessert. Statt potenziometrisch misst die Zunge mit der zyklischen Voltametrie (ZV). Sieben verschiedene Apfelsäfte unterscheidet die Feinschmecker-Elektrode aus Gold in ersten Tests problemlos.

Ob ein Saft schmeckt oder nicht, werden sie nie beantworten können. Ob er vergoren oder gepanscht ist, hingegen schon. Elektronische Zungen könnten die Testschmecker der Zukunft werden, wenn es darum geht, die Qualität von Lebensmitteln zu überwachen. Mit vielen verschiedenen Sensoren bestückt, untersuchen sie chemisch komplexe Gemische wie Multivitaminsaft in Sekunden. Dabei arbeiten sie nach dem Prinzip der Mustererkennung: Sie registrieren lediglich, wie stark jeder einzelne Sensor anspricht, statt aufwändig die exakte Zusammensetzung des Safts zu analysieren. Daraus ergibt sich für jede Probe eine Art Fingerabdruck. Ein Vergleich mit gespeicherten Referenzmustern zeigt Abweichungen, wie sie etwa durch Alterung oder Prozessfehler auftreten.

Mehrere Stoffgruppen gleichzeitig analysieren

Bisher basieren die elektronischen Zungen meist auf dem elektrochemischen Messverfahren der Potenziometrie. Viele kleine Elektroden bilden die künstlichen Geschmacksknospen; jede misst bei einer anderen Spannung. So lassen sich mehrere Stoffgruppen gleichzeitig analysieren, da zum Beispiel eine Fruchtsäure bei einer anderen Spannung ein Signal gibt als ein Zucker. Wie viele Stoffe die Zunge „schmeckt“, ist durch die Zahl der Elektroden begrenzt.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT in Pfinztal bei Karlsruhe haben das Geschmacksempfinden der elektronischen Zunge nun geschärft. Statt potenziometrisch misst die Zunge mit der zyklischen Voltametrie (ZV). Die Elektrode durchläuft während der knapp einminütigen Messung einen Spannungsbereich. Sie ersetzt so viele Einzelelektroden mit konstanter Spannung. „Der Effekt ist, als ob man viele potenziometrische Messungen aneinander reiht“, erklärt Peter Rabenecker. „Dadurch erhält man mit einem Mal wesentlich mehr Informationen und kann geschmackliche Nuancen besser differenzieren.“ Sieben verschiedene Apfelsäfte unterscheidet die Feinschmecker-Elektrode aus Gold in ersten Tests problemlos.

Detektion von Rauchbestandteilen in Kakao

Ein weitere Anwendung ist die Detektion von Rauchbestandteilen in Kakao. Durch Leckagen in Röst- und Trockenöfen können verschiedene Phenole als Abbauprodukte des Holzbestandteils Lignin den Geschmack von Schokolade beeinträchtigen. Solche unerwünschten Inhaltsstoffe werden bisher durch Wasserdampfdestilliation abgetrennt und aufwendig per HPLC nachgewiesen. Die Frage jedoch, ob und in welchem Ausmaß eine Kakaoprobe im Herkunftsland unbeabsichtigt geräuchert wurde, lässt sich einfacher und schneller durch ZV mit multivarianter Mustererkennung überprüfen.

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„Unsere Messmethode liefert lediglich einen kumulativen Wert über alle relevanten Phenole“, betont Hanns-Erik Endres vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in München. „Für die Qualitätskontrolle in der Lebensmittelindustrie genügt dies jedoch; entscheidender ist vielmehr, Prozesse schnell und online überwachen zu können.“ Der Anstoß zu diesen Untersuchungen ging von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising aus, die mit der Methode zukünftig auch Röstprozesse aller Art überwachen wollen.

Anwendungen in der Medizin

Die Kombination aus ZV und Mustererkennung ist nicht auf die Lebensmittelkontrolle beschränkt. Auch in der Medizin eröffnen sich Anwendungen. Erste Ergebnisse der Wissenschaftler vom IZM und von der Arbeitsgruppe für Angewandte Elektrochemie an der Technischen Universität München zeigen, dass sich mit der Methode beispielsweise die Konzentration von Ascorbinsäure in Harn schnell messen lässt.

Sensoren dieser Art leiden im Gegensatz zu den meisten menschlichen Prüfern unter Geschmacksverlust mit zunehmendem Alter: Beläge und Korrosionsvorgänge bewirken, dass die Sensitivität abnimmt. Die einfachste Lösung besteht darin, den Sensor rechtzeitig auszutauschen. „Vertretbar ist dieser Weg jedoch meist nur, wenn die Kosten deutlich gesenkt werden können“, nennt Endres als Ziel künftiger Entwicklungen. „In unserem münchner Demozentrum stellen wir bereits jetzt einfache elektronische Strukturen ähnlich wie in der Drucktechnik auf Kunststoffbahnen her. Mit Industriepartnern wollen wir neue Sensoren entwickeln, die dank dieser Rolle-Rolle-Technik in großen Mengen kostengünstig gefertigt werden können.“

Elektrochemische Sensoren mit automatischer Mustererkennung werden vom 11. bis 14. Mai auf der Analytica in Halle A4 am Stand 291 präsentiert.

(idw – Fraunhofer-Gesellschaft, 10.05.2004 – DLO)

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