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Neurobiologie

Neuer Wirkstoff setzt Alzheimer-Enzym schachmatt

Forscher finden wirksamen Ansatz zur Behandlung der Krankheit

Bei der Alzheimer-Krankheit verlieren betroffene Patienten mit der Zeit ihr Erinnerungs- und Orientierungsvermögen. Eine erfolgreiche Therapie gibt es bisher nicht. Doch nun haben Forscher einen neuen Ansatz zur Behandlung von Alzheimer entwickelt und damit erste Erfolge erzielt – zumindest im Tierversuch.

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Im Wissenschaftsmagazin „Science“ beschreiben sie, wie sie Hemmstoffe gegen einen der wichtigsten Auslöser der Alzheimer-Krankheit, das Enzym Beta-Sekretase, in floßartig umher schwimmende Untereinteilungen der Zellmembran, so genannte Rafts, steuern konnten. Dies ist bahnbrechend, weil bisherige Ansätze zum Hemmen der Beta-Sekretase dem genauen Wirkungsort dieses Enzyms in der Zelle keinerlei Rechnung trugen, also breit gestreut zu wirken versuchten.

Die neuartigen Hemmstoffe hingegen, die sich an Rafts hängen, werden exakt an genau den Ort in der Zelle gebracht, wo die Beta-Sekretasen wirksam werden und zum Ausbrechen der Alzheimer-Krankheit beitragen.

Plaques als typisches Merkmal

Charakteristisch für die Alzheimersche Krankheit sind flächenhafte Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, so genannte Plaques. Diese Ablagerungen entstehen, wenn das Membranprotein APP (Beta-Amyloid-Precursor-Protein) von dem Enzym Beta-Sekretase zerschnitten wird.

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An genau dieser Beta-Sekretase haben nun die Wissenschaftler von der Technischen Universität Dresden und dem Dresdner Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) um Hans-Joachim Knölker und Kai Simons angesetzt: Sie wirklich wirkungsvoll zu hemmen, müsste die effektivste Behandlung der Alzheimer-Krankheit sein oder zumindest eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs darstellen.

Ein Membrananker für Sekretase-Hemmer

Doch dazu mussten vorher zwei Fragen geklärt werden: Wo genau in der Zelle spaltet die Beta-Sekretase APP? Und wie findet das dann entstandene kleine kurzkettige Eiweiß Amyloid-Peptid den Weg aus der Zelle heraus, was schließlich zur Bildung der Amyloid-Plaques führt?

Die Antworten sind mittlerweile gefunden: APP-Spaltung kann nur dann stattfinden, wenn APP und die Beta-Sekretase vorher in die Zelle eingeschleust wurden. Dies geschieht über Endozytose, den gleichen Prozess, über den Zellen auch Nährstoffe aufnehmen und externe Signale ins Zellinnere kommunizieren. Danach werden APP und die Beta-Sekretase in ein spezielles Endosom, das frühe Endosom, transportiert, wo APP durch die Beta-Sekretase gespalten wird – dies ist also der entscheidende Ort in der Zelle.

Basierend auf diesen Erkenntnissen versah das Dresdner Forscherteam bestehende Beta-Sekretase-Hemmer nun mit einem Membrananker versehen. Diese modifizierten Beta-Sekretase-Hemmer konnten in den Laboratorien von Knölker am Institut für Organische Chemie der TU Dresden durch Festphasen-Peptidsynthese gezielt hergestellt werden. Der modifizierte Wirkstoff kann in frühe Endosomen transportiert und sein Wirkungsort dadurch auf eine Dimension in der Zelle beschränkt werden.

Hemmstoffe wirksamer als bisher bekannte

Erste Experimente haben sofort gezeigt, dass diese Endosom-spezifischen Hemmstoffe um ein Vielfaches effektiver sind als die löslichen, bisher auf dem Markt erhältlichen Hemmstoffe – und dies sowohl in Zellkulturen als auch in lebenden Organismen. In einem tierischen Modellorganismus, in dem Alzheimer simuliert wurde, konnte mit dem neuartigen Hemmer die Bildung von Beta-Amyloid in nur vier Stunden auf die Hälfte reduziert werden, während die bisher erhältlichen Hemmstoffe keinerlei Wirkung zeigten.

Die vom Dresdner Forscherteam entwickelte Methode hat ein großes Potenzial für die Entwicklung neuer und wirksamerer Medikamente gegen Alzheimer.

(idw – Technische Universität Dresden, 25.04.2008 – DLO)

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