Forscher haben im Tiermodell erstmals nachgewiesen, wie Interferone, insbesondere Interferon-beta, den Verlauf der Multiplen Sklerose (MS) beeinflussen. Über die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Immunity.
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Mehr als 50 Jahre nach der Entdeckung der Interferone ist es den Medizinern gelungen, die Wirkungsweise dieser Botenstoffe im Zusammenhang mit entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems aufzuklären. Dies macht Hoffnung für einen effektiveren therapeutischen Einsatz von Interferonen, so die Forscher aus Freiburg, Göttingen, München, Hamburg, Zürich und Langen.
120.000 MS-Kranke in Deutschland
Die Multiple Sklerose ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS). Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren sind häufiger als Männer betroffen. In Deutschland gibt es etwa 120.000 Menschen, die an MS erkrankt sind. Man nimmt an, dass die MS eine Autoimmunerkrankung ist, bei der Blutzellen irrtümlicherweise Strukturen des ZNS angreifen und dadurch die Entzündung hervorrufen.
Circa 40.000 Patienten werden in Deutschland mit Interferon-beta behandelt, um das Immunsystem zu regulieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen. Obwohl die Therapie zunächst sehr effektiv ist, müssen viele Patienten die Interferon-beta Behandlung abbrechen, da es zu Nebenwirkungen in Blut, Haut und Nervensystem kommen kann.
Durchbruch bei der Erforschung der Interferonwirkung
„Unsere Ergebnisse stellen einen Durchbruch für das Verständnis der Interferonwirkung bei MS dar. Es besteht nun die Hoffnung, neue zellspezifischere und nebenwirkungsarme Therapieansätze zur Behandlung dieser Erkrankung zu entwickeln“, so Professor Dr. Marco Prinz von der Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Im Tiermodell der Multiplen Sklerose haben die Wissenschaftler die Ergebnisse in jahrelanger Forschungsarbeit erhalten. „Das Hauptproblem zum Verständnis der Interferonwirkung im Gesamtorganismus bestand darin, dass das Interferon auf fast jede Körperzelle wirken kann, da der entsprechende Erkennungsrezeptor sich überall befindet“, berichtet Dr. Ulrich Kalinke aus der Abteilung Immunologie am Paul-Ehrlich Institut in Langen.
Interferonrezeptor genetisch verändert
Die Forscher veränderten den Interferonrezeptor genetisch so, dass es nun möglich war, diesen spezifisch entweder nur auf bestimmten Blutzellen, wie Lymphozyten oder Makrophagen, oder nur auf Hirnzellen auszuschalten. Die Ergebnisse waren sowohl eindeutig als auch überraschend: Die Wirkung von Interferon auf Makrophagen und Mikroglia, die Fresszellen des Blutes und des Gehirns, waren für den Verlauf der Erkrankung entscheidend. Dagegen spielt die Stimulation von Lymphozyten oder von Hirnzellen eine untergeordnete Rolle.
Wie die Wissenschaftler weiterhin zeigen konnten, vermitteln Interferone eine dämpfende Wirkung auf die Makrophagen, was sich als entscheidend für die positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs herausstellte.
(idw – Universität Freiburg im Breisgau, 22.04.2008 – DLO)