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Klima

Klimaschutz: Reduktionsszenarien der IPCC zu optimistisch

Einspar-Effekt der technologischen Entwicklung überschätzt

Die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen, die nötig ist, um den Klimawandel zu bremsen, könnte schwerer zu erreichen sein als angenommen. In einem Artikel in der Fachzeitschrift „Nature“ kommen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Szenarien des Weltklimarats IPCC die technischen Herausforderungen einer Reduktion unterschätzen.

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Das Intergovernmental Panel on Climate Research (IPCC) unterscheidet in seinen Szenarien der zukünftigen Emissionsentwicklung zwei Arten von Emissionsreduktionen: Eine, die auf konkrete Klimaschutzmaßnhamen zurückgeht, und eine, die sich spontan, also ohne gesonderte Maßnahmen als natürliche Folge der technologischen Weiterentwicklung ereignet. Doch genau letzteres stellen Forscher der Universität von Colorado in Boulder, dem National Center for Atmospheric Research (NCAR) und der McGill University in Montreal nun in Frage.

Szenarien mit „eingefrorener Technologie“

Die Autoren begannen mit einer Reihe von Szenarios, in denen sie eine potenzielle technische Entwicklung zunächst „einfroren“. Sie gingen davon aus, dass die Technik in Bezug auf die Emissionen mehr oder weniger auf dem heutigen Stand bleibt. „Mit einer solchen Herangehensweise wird die volle Herausforderung einer Kohlenstoff-neutralen Technologie deutlich“, erklärt Christopher Green von der McGill Universität.

Die Forscher weisen darauf hin, dass die IPCC-Szenarien davon ausgehen, dass 57 bis 96 Prozent der von der IPCC modellierten CO2-Einsparungen im Bereich der Energiegewinnung allein auf bessere, effektivere Technik zurückgehen sollen. Diese „automatischen“ Reduktionen sollten dazu beitragen, das Ziel einer Stabilisation der CO2-Werte bei 500 parts per million (ppm) – im Gegensatz zu den heutigen rund 390 ppm – zu realisieren.

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Radikale Dekarbonisation der Energiesysteme nötig

„Eine Stabilisation ist eine größere Herausforderung als viele wahrhaben wollen und erfordert eine radikale ‘Dekarbonisation’ der Energiesysteme“, erklärt Tom Wigley von der NCAR. „Die globale Energie-Nachfrage wird schnell ansteigen und diese neuen Anforderungen müssen mit größtenteils Kohlenstoff-neutralen Quellen erfüllt werden – Quellen, die entweder keine fossilen Brennstoffe nutzen oder das freiwerdende CO2 abscheiden und lagern.”

Schon jetzt sind die jüngsten Veränderungen in der „Kohlenstoff-Intensität“ pro konsumierter Energieeinheit weltweit aufgrund des rapiden Wirtschaftswachstums höher als die von der IPCC prognostizierten. In Asien beispielsweise wird die Nachfrage der immer Energie-intensiveren Industrien durch konventionelle, auf fossilen Brennstoffen beruhenden Technologien, befriedigt.

Politik muss technische Innovationen fördern

„Nach dem IPCC-Bericht soll sich die Mehrheit der Emissionsreduktionen, die benötigt werden um die CO2-Konzentrationen zu stabilisieren, quasi automatisch ereignen“, erklärt Roger Pielke Jr. von der Universität von Colorado. „Doch diese Reduktion ist unter den herrschenden politischen Bedingungen nicht nur extrem unwahrscheinlich, wir bewegen uns zurzeit sogar in die entgegengesetzte Richtung. Wir glauben, dass diese Art von Annahmen uns blindmachen für die Realität und unsere Fähigkeit, effektive Maßnahmen zu ergreifen eher behindern.“

“Letztlich ist es keine Frage, ob technologische Innovation nötig ist oder nicht – natürlich ist es das”, schreiben die Autoren in ihrem Kommentar. “Die Frage ist, in welchem Maße die Politik explizit solche Innovationen fördern sollte. Die IPCC spielt ein riskantes Spiel, wenn sie annehmen, dass allein die spontanen technischen Fortschritte den Großteil der Reduktionslast tragen können und außer acht lassen, welche Bedingungen nötig sind, damit solche Innovationen stattfinden.“

„Unsere Botschaft sollte aber eher optimistisch als pessimistisch verstanden werden“, betont Pielke. „Denn nur mit einem klaren Blick auf die Herausforderungen des Klimaschutzes können wir hoffen, effektive Maßnahmen zu erreichen. Wir hoffen, dass unsere Analyse ein Schritt hin zu einer solchen klaren Sicht ist.“

(National Center for Atmospheric Research (NCAR), 03.04.2008 – NPO)

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