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Astronomie

Altes Eis am Enceladus-Nordpol

Naher Vorbeiflug liefert neue Erkenntnisse über rätselhaften Saturnmond

Am 12. März 2008 flog die Saturnsonde Cassini in nur 50 Kilometern Entfernung am Eismond Enceladus vorbei und nahm dabei die bislang unbekannte nördliche Hemisphäre ins Visier. Bei einem ersten Vorbeiflug im Juli 2005 entdeckten die Forscher Eisvulkane am Südpol des im Durchmesser nur 500 Kilometer großen Vulkan. © NASA

Bis auf 50 Kilometer hat sich die Raumsonde Cassini am 12. März 2008 dem rätselhaften Saturnmond Enceladus genähert. Der Eismond ist durch seine geheimnisvollen Fontänen am Südpol und flüssiges Wasser, das unter seiner Eiskruste existiert, bekannt geworden. Die Kameras an Bord von Cassini haben nun Bilder von noch völlig unerforschten Bereichen der nördlichen Halbkugel des Eismondes gemacht. Ergebnis: Auch hier gibt es frisches Eis, es dominieren aber ältere Eisflächen, auf denen Meteoriteneinschlagkrater deutlich zu erkennen sind.

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„Ich bin begeistert! Die Daten sehen ganz phantastisch aus“, sagte Professor Ralf Jaumann vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung nach einer ersten Durchsicht der Daten, die die Raumsonde bei ihrem insgesamt dritten, dieses Mal nur 100 Sekunden dauernden, Vorbeiflug zur Erde gefunkt hat. „Um den Mond und die Prozesse, die sich in seinem Inneren abspielen, zu verstehen, ist es wichtig, dass wir nach und nach seine gesamte Oberfläche kennen lernen.“

Nordpol weniger aktiv

Bei früheren Annäherungen an den im Durchmesser nur 500 Kilometer großen Mond Enceladus, der den Gasriesen Saturn in einer Entfernung von fast 240.000 Kilometern umkreist, entdeckten die Forscher am Südpol des Mondes Eisvulkane, die gewaltige Fontänen aus Wasserdampf, kleinen Eispartikeln und Staub ins All spucken. So aktiv scheint der Mond im Norden nicht zu sein. Jaumann: „Auch im Norden befinden sich Regionen mit ganz frischem Eis, aber hier gibt es vorwiegend ältere Eisflächen, auf denen wir Meteoriteneinschlagkrater finden.“

Am Südpol des Mondes dagegen schleudern Eisgeysire immer wieder Eispartikel in die Atmosphäre, die dann nach und nach wieder auf die Oberfläche des Mondes rieseln und die Einschlagkrater überdecken. Außerdem bewegen sich die Eisschollen am Südpol stärker, vergleichbar mit den Fließbewegungen von Gletschern auf der Erde. Dadurch verschwinden die Einschlagkrater nach und nach.

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Rätsel um Wärmezentrum im Süden

Warum das Wärmezentrum des Eismondes im Süden liegt, wissen die Forscher derzeit noch nicht. „Offensichtlich gab es Eisvulkanismus in der Vergangenheit auch auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes. Möglich ist, dass das Wärmezentrum ganz langsam nach Süden gewandert ist. Es kann aber auch sein, dass es schrumpft und es Eisgeysire in der geologischen Vergangenheit des Mondes flächendeckend gab, während sie sich heute vorwiegend auf den Südpol begrenzen“, beschreibt DLR-Wissenschaftler Jaumann die Thesen der Forscher.

Unklar ist auch, woher der Mond seine Energie nimmt. Immerhin erhitzt sich der Mond, fast 1,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, so sehr, dass Wasser in flüssiger Form und als Wasserdampf vorkommt. Während die Temperatur an seiner Oberfläche bei minus 200 Grad Celsius liegt, müssen in seinem Inneren stellenweise Temperaturen über null Grad Celsius herrschen. Dass der kleine Mond nach vier Milliarden Jahren, seit der Entstehung des Sonnensystems, immer noch einen heißen, flüssigen Gesteinskern wie die Erde hat, schließen die Forscher aus.

Gravitationskraft knetet Mond durch

„Wir vermuten, dass die große Gravitationskraft des Riesenplaneten Saturn den Eismond regelrecht durchknetet“, sagt Jaumann. So wie Mond und Sonne durch ihre Schwerkraft die Wassermassen der Ozeane auf der Erde mit in Bewegung setzen, bewegt Saturn durch seine gewaltige Masse das Wasser im Inneren des relativ nahen Eismondes. Durch diese Bewegung entsteht Reibung, die so genannte Gezeitenreibung, die ein Aufheizen des Mondes zur Folge hat.

Allerdings räumt Jaumann ein, dass die bisherigen Modelle über das mögliche Innenleben des Eismondes zeigen, dass die Energie, die durch die Gezeitenreibung entsteht, nicht ausreicht um den Mond derart aufzuheizen.

Eisvulkanismus im Saturnsystem

Für Schlagzeilen sorgte der Eismond bereits 2005, als die Forscher die Eisgeysire entdeckten und damit erstmals einen Nachweis für Kryovulkanismus (Eisvulkanismus) im Saturnsystem erbracht hatten. Voraussetzung für diese Prozesse ist flüssiges Wasser, das bis dahin in den Außenbereichen des Sonnensystems nicht vermutet worden war.

Quelle der Fontänen am Südpol des Eismondes sind etwa 100 Kilometer lange Spalten, die etwas wärmer sind als ihre Umgebung. Darunter vermuten die Forscher Wasser in flüssiger Form, das bislang, außer auf der Erde, nur auf dem Jupitermond Europa nachgewiesen wurde. © NASA

Jaumann: „Wir gehen ja davon aus, dass flüssiges Wasser eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben ist. Damit haben wir weit draußen im Sonnensystem eine mögliche biologische Nische entdeckt. Die Lebensfrage in unserem Sonnensystem muss also neu gestellt werden.“ Ob es unter der Eisoberfläche von Enceladus tatsächlich Leben gibt, sei dabei eine ganz andere Frage und die, so vermutet Jaumann, werden die Forscher so schnell nicht beantworten können.

Eispartikel aus zwei Quellen

Die Staubpartikel, die Enceladus ins All schleudert, werden unter anderem von dem beim Max-Planck-Institut (MPI) für Kernphysik in Heidelberg entwickelten Staubanalysegerät CDA (Cosmic Dust Analyser) auf der Raumsonde Cassini untersucht.

Ralf Srama, Hauptwissenschaftler des Instruments (PI, Principle Investigator) geht davon aus, dass die Partikel, die den Eismond umkreisen und sogar den äußersten Ring des Saturn, den so genannten E-Ring speisen, zwei unterschiedliche Quellen haben.

Teilchen mit gravierenden Unterschieden

Die Partikel aus nahezu reinem Wassereis könnten durch Meteoriteneinschläge aus der Oberfläche des Eismondes herausgelöst werden. Die Eispartikel mit Gesteinsmaterial stammen, so Srama, wahrscheinlich aus den Fontänen und damit aus dem Inneren von Enceladus.

„Wir gehen davon aus, dass die Eisteilchen aus der Oberfläche zu 90 Prozent aus reinem Wassereis bestehen. Die Partikel, die aus den Fontänen geschleudert werden, dagegen bestehen zu 20 bis 40 Prozent aus mineralischem Material und nur zu 60 Prozent aus reinem Wassereis.“

(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 17.03.2008 – DLO)

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