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Medizin

Computerspielen und Fernsehen macht Kinder krumm

Alarmierende Störungen in Körperwahrnehmung und Gleichgewicht nachgewiesen

Beide Fotos zeigen denselben Jungen. Er fiel bei einer Kid-Check-Untersuchung durch seine schlechte Körperhaltung auf: starkes Hohlkreuz, Rundrücken, fehlende Körperspannung. Der Junge wurde daraufhin in eine der Kid-Check-Trainingsgruppen aufgenommen. Nach einigen Monaten Dehnungs-, Kräftigungs- und Motorik-Training kann der Junge seine Körperhaltung bewusster steuern. © Universität des Saarlandes

Wenn Kinder viel Zeit vor dem Fernseher oder Computer verbringen, können schwere Störungen der Körperhaltung und des Gleichgewichts die Folge sein. Dieses alarmierende Ergebnis zeigt eine neue Studie. Fast die Hälfte der untersuchten Kinder waren nicht mehr in der Lage, sich im Stehen aufrecht zu halten. Ursache dafür sind nicht erschlaffte Muskeln, sondern eine Störung der Körperwahrnehmung der Kinder.

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Orthopäden, Neurologen, Humanbiologen, Sportwissenschaftler und Physiotherapeuten haben im Rahmen einer Teilstudie der Aktion Kid-Check der Universität des Saarlandes mit einer eigens entwickelten Messmethode erstmals eindeutige Folgen von starkem Fernsehkonsum nachgewiesen. Bei der Aktion Kid-Check untersuchen Ärzte und Wissenschaftler seit 1999 Kinder und Jugendliche auf Haltungsschwächen und -schäden wie Rundrücken, Hohlkreuz, hängende Schultern und O-Beine. Ziel ist es, schlechte Körperhaltung zu erkennen, die Ursachen zu erforschen und die Haltung durch Training zu verbessern.

Gerades Stehen nicht mehr möglich

Das Zwischenergebnis der Studie ist alarmierend: Vier von zehn Kindern sind demnach nicht in der Lage, im Stehen eine stabile Körperhaltung einzunehmen und zu bewahren. Insgesamt untersuchten die Wissenschaftler 1.600 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren. Rund 40 Prozent der jungen Teilnehmer gelang es nicht, ihren Körper im Stehen aufrecht zu halten. Die Kinder fielen ins Hohlkreuz, der Kopf kippte nach vorn, die Schultern sackten nach unten, der Körper neigte sich deutlich nach vorn oder nach hinten.

Besonders ausgeprägt sind solche Haltungsschwächen bei Kindern, die viel Zeit vor dem Fernseher oder Computer verbringen. Bei einem speziellen Test mussten die Kinder erst mit geöffneten, dann mit geschlossenen Augen eine Minute still stehen. Dabei wurde die Körperschwankung gemessen. Diese war bei geschlossenen Augen häufig deutlich höher, insbesondere bei Kindern, die viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen.

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Körpersteuerung schlecht trainiert

Für die Steuerung unserer Körperhaltung und -bewegung sind mehrere Sinnessysteme zuständig. Häufiges Fernsehen und Computerspielen führen offenbar dazu, dass das visuelle System besonders beansprucht und trainiert wird und dadurch bei der Steuerung der Haltung und Bewegung des Körpers eine dominierende Rolle übernimmt. Die anderen Sinneswahrnehmungen zur Körpersteuerung werden bei langem Sitzen vor dem Bildschirm hingegen nicht ausreichend genutzt und geschult. Den betroffenen Kindern fällt es daher mit geschlossenen Augen im Stehen schwer, das Gleichgewicht zu halten und richtig still zu stehen.

Eine schlechte Körperhaltung bei Kindern und Jugendlichen ist daher nicht allein auf schwache oder schlecht gedehnte Muskeln zurückzuführen. Das Kid-Check-Team hat jetzt erstmals zweifelsfrei nachgewiesen, dass in vielen Fällen aufgrund schlecht trainierter Sinneswahrnehmungen das Gefühl der Mädchen und Jungen für den eigenen Körper gestört ist. Man spricht auch von gestörter Körpereigenwahrnehmung.

Um eine gute Körperhaltung einnehmen zu können, muss unser Nervensystem die Muskulatur zielgerichtet, genau dosiert und in einer festen zeitlichen Reihenfolge aktivieren. Dafür benötigt das Gehirn als Steuerzentrale jederzeit von den verschiedenen Sinnessystemen genaue Informationen über die Stellung der Gelenke und die Spannung der Sehnen und Muskeln. Fällt bei geschlossenen Augen das visuelle System weg, können die schlecht trainierten anderen Sinneswahrnehmungen keine ausreichenden Informationen liefern. Daher gelingt es den betroffenen Kindern nicht, ihre Haltung optimal zu steuern.

Spezielles Trainingsprogramm soll Störungen beheben

„Erst wenn wir genau verstehen, wie Haltungsschäden entstehen, können wir gezielt dagegen vorgehen“, erklärt der ärztliche Leiter der Aktion, Professor Dr. med. Eduard Schmitt von der Orthopädischen Klinik der Universitätsklinik Homburg. Zum wiederholten Mal erarbeiteten die Saarbrücker Experten für eine Gruppe von Jugendlichen, die beim Kid-Check durch ihre schlechte Haltung aufgefallen waren, ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm.

15 Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren absolvierten ein halbes Jahr lang Übungen für Gleichgewicht und Koordination. Außerdem wurden Kraft und Beweglichkeit trainiert. Im Vergleich zu einer inaktiven Kontrollgruppe zeigten alle Jugendlichen der Trainingsgruppe nach Abschluss der Studie eine deutlich verbesserte Körperhaltung.

(Universität des Saarlandes, 06.03.2008 – NPO)

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