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Neurobiologie

Erster Blick ins Stammhirn

Direkte und genaue Abbildung des Hirnstamms in Aktion gelungen

Horizontale (links) und vertikale (rechts) Schnitte durch das Gehirn, die den gesteigerten Blutfluss (roter Bereich) im Hirnstamm zeigen. © Princeton University

Das Stammhirn ist der älteste Teil unseres Gehirns, der Sitz vieler lebenserhaltender Instinkte und Funktionen. Jetzt ist amerikanischen Forschern ein erster genauerer Blick in diese vorzeitlichen Tiefen unseres Denkorgans gelungen. Wie sie in „Science“ berichten, erlaubt die neue Methode sogar die Beobachtung des Stammhirns in Aktion.

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Der Hirnstamm ist eine winzige, wurzelförmige Struktur am Übergang des Gehirns in das Rückenmark. Dieser älteste Gehirnteil kontrolliert überlebenswichtige Grundfunktionen des Körpers wie Atmung, Verdauung, Herzschlag und Blutdruck, aber auch sexuelle Erregung. Das Stammhirn produziert spezielle Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin und Norepinephrin, die in andere Gehirnteile transportiert werden und hier ebenfalls steuernd eingreifen. Ist ihr Gleichgewicht gestört, kann dies neuropsychologische Erkrankungen wie Schizophrenie, Depression, Parkinson oder auch Sucht auslösen.

Wegen seiner grundlegenden Bedeutung für nahezu alle Hirnfunktionen untersuchen Forscher seit langem intensiv die Auswirkungen der Botenstoffe auf verschiedene Regionen des Gehirns. Doch der Ursprung der chemischen Signale entzog sich bisher weitestgehend einer genaueren Analyse. „Seit langer Zeit haben Wissenschaftler erfolglos versucht, sich diese Gehirnregion anzusehen – sie ist einfach zu klein“, erklärt Kimberlee D’Ardenne, Neurowissenschaftlerin an der Princeton Universität und Hauptautorin der Studie. „Wir wollten es versuchen, weil der Hirnstamm so wichtig für die Aktivitäten des restlichen Gehirns ist. Wir glauben, dass hier der Schlüssel für viele wichtige Verhaltensweisen liegt.“

Magnetresonanztomografie zeigt Gehirn in Aktion

Um einen Einblick in die Funktion des Stammhirns zu bekommen, nutzen die Forscherin und ihre Kollegen die Technik der funktionellen Magnetresonanztomografie. Sie erzeugt dreidimensionale Aufnahmen, die zeigen, welche Bereiche des Gehirns während Denkprozessen und Handlungen aktiv sind. Damit ist es beispielsweise möglich, konkrete Handlungen mit den entsprechenden mentalen Prozessen in Zusammenhang zu bringen.

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Für die Studie wurden Freiwillige im Tomografen platziert und nahmen an Experimenten teil, in denen sie auf klassische Weise „konditioniert“ wurden: Sie erhielten zunächst für eine gewisse Zeit nichts zu trinken, um sie durstig zu machen. Dann durften sie, immer wenn ein bestimmtes optisches Signal erschien, etwas trinken. Während dieser Zeit registrierte der Tomograf Veränderungen in der Durchblutung der verschieden Bereiche des Hirnstamms.

Belohnung löst Aktivität aus, Enttäuschung nicht

Schnell, zeigte sich, dass sich die Aktivität in einem Bereich des Hirnstamms konzentrierte, der mit dem Botenstoff Dopamin im Zusammenhang steht. Dopamin ist dafür bekannt, eine Rolle im hirneigenen Belohnungssystem zu spielen. Und tatsächlich veränderte sich die Durchblutung bei den Probanden in Abhängigkeit ihrer Stimmung. Wenn sie Freude über die Belohnung – das Glas Wasser – empfanden nahm die Hirnstamm-Aktivität zu und damit auch Durchblutung.

Überraschend dagegen das Ergebnis im umgekehrten Fall: Wenn sie Enttäuschung über eine nicht oder zu spät kommende Belohnung verspürten, registrierten die Forscher keinerlei Aktivität in den Dopamin produzierenden Bereichen – ein Befund, der sich deutlich von den Studien unterscheidet, die die Botenstoffkonzentrationen in anderen Gehirnbereichen untersucht hatten. „Wir stehen erst am Anfang, diese entscheidenden Signalwege zu verstehen“, erklärt D’Ardenne. „Aber es gibt uns einen Hinweis darauf, was noch alles zu erfahren ist.“

Im Rahmen seiner Studie konnte das Forschungsteam erstmals hochauflösende Bilder gewinnen, die die Aktivität von winzigen Clustern von Dopamin-Neuronen enthüllen. Mithilfe von Filteralgorithmen und speziellen Abbildungsverfahren glichen sie Störungen und Verzerrungen aus, wie sie beispielsweise durch kleine Bewegungen der Probanden entstehen, und kombinierten Bilder von verschiedenen Personen zu einem Modell der Dopaminaktivität im Hirnstamm.

(Princeton University, 28.02.2008 – DLO)

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