Ein Verbundmaterial, das ähnliche Eigenschaften wie das Perlmutt der Muscheln besitzt, haben jetzt Materialforscher geschaffen. Sie berichten über den Werkstoff nach dem Vorbild der Natur in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.
{1l}
Für den technologischen Fortschritt braucht es neue und bessere Werkstoffe. Die Materialien sollten leicht, fest und zugleich zäh sein. Perlmutt im Innern von Muschelschalen ist ein Beispiel dafür, wie die Natur diese Aufgabe löst. Seine guten Eigenschaften verdankt das Perlmutt dem Aufbau in Schichten. Es setzt sich zu 95 Prozent aus steifen keramischen Plättchen zusammen, die in einem weichen Biopolymer eingebettet sind.
Materialforscher der ETH Zürich um Professor Ludwig Gauckler haben nun einen neuen Verbundstoff entwickelt, der dem natürlichen Perlmutt nachempfunden ist. Der Aufbau dieses künstlichen Hybrid-Materials ist mit einer Backsteinmauer vergleichbar. Winzige, hochfeste Aluminiumoxidplättchen dienen dabei als Backsteine, das Polymer Chitosan hat die Funktion des Mörtels.
Doppelt so stark wie natürliches Perlmutt
Das Prinzip, ein Polymer mit anorganischen Plättchen zu mischen, um daraus ein Material mit neuen mechanischen Eigenschaften herzustellen, ist an sich nicht neu. Wichtig sei in diesem Fall jedoch gewesen, die Plättchen konsequent einzeln und klar voneinander getrennt auf das Polymer aufzutragen, betont Gauckler.
Lebenden Organismen wie Muscheln steht nur ein begrenztes Arsenal an Bausteinen zur Verfügung. Besonders die Aragonitplättchen in Perlmutt sind weniger fest als künstliche keramische Plättchen. Die Verwendung solcher hochfester Plättchen macht den Verbundwerkstoff, den die Forscher der ETH Zürich entwickelt haben, doppelt so stark wie natürliches Perlmutt. Er lässt sich zum Beispiel um 25 Prozent deformieren, ehe er bricht. Perlmutt dagegen geht bei einer Deformation von zwei Prozent bereits in die Brüche.
„Bei der Steifigkeit ist das Naturprodukt dem Kunstprodukt jedoch überlegen“, sagt Lorenz Bonderer, Erstautor der Studie. Die Steifigkeit des neuen Materials ist bis zu sieben Mal tiefer als die von Perlmutt, das heißt Perlmutt hat einen größeren Widerstand gegen Verformung. Ursache für dieses Phänomen ist, dass in der Natur zwar die einzelnen Plättchen schwächer, dafür komplexer angeordnet und zahlreicher sind.
Forscher sehen großes Verbesserungspotential
Das neue Verbundmaterial hat nach Angaben der Forscher noch ein großes Verbesserungspotential. So sollen beispielsweise andere Polymere oder Plättchen mit einer anderen Geometrie einsetzt werden. Die Fabrikation wird dadurch möglicherweise erleichtert. Auch die Grenzflächen zwischen Plättchen und Polymer können noch optimiert werden – eine Idee, die man zusammen mit einer Forschungsgruppe vom Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle weiterentwickelt.
Die Kombination von exzellentem Struktur-Design aus der Natur und künstlichen Bausteinen könnte in Zukunft auch zu anderen Verbundwerkstoffen mit einzigartigen mechanischen Eigenschaften führen, so die ETHZ-Forscher weiter. Die konkreten Anwendungen des „künstlichen Perlmutts“ stehen im Moment nicht im Vordergrund. Dazu sei es noch zu früh, meint Gauckler. Einen solchen Verbundwerkstoff könnte man überall dort, wo feste und flexible Folien benötigt werden, einsetzen.
(idw – ETH Zürich, 25.02.2008 – DLO)