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Klima

Klimaschutz: Persönliche Nachteile als Köder

Auch wenn jeder nur an sich selbst denkt, kann Klimaschutz gelingen

Die Verlustwahrscheinlichkeit macht Druck: Gruppen von Studenten erreichen das kollektive Klimaschutzziel nur, wenn ein Misserfolg einen zu 90% wahrscheinlichen Verlust ihres Geldes erwarten lässt (blaue Linie). Selbst dann haben sie dabei noch Probleme: Die Summe an Investitionen erreicht den notwendigen Grenzwert (schwarze Linie) erst in der letzten Runde des Spiels. Beträgt die Verlustwahrscheinlichkeit nur 50% (grüne Linie) oder 10% (rosa Linie), dann entfernen sich die kollektiven Investitionen der Studenten sogar immer mehr vom Grenzwert. © MPI für Evolutionsbiologie/MPI für Meteorologie

Wenn wir unseren Kohlendioxid-Ausstoß bis 2050 nicht um 50 Prozent senken, dann werden Teile der Welt möglicherweise unbewohnbar. Doch wann sind Menschen bereit Geld in den Klimaschutz zu investieren und einen „gefährlichen“ Klimawandel abzuwehren? Dies haben jetzt Max-Planck-Wissenschaftler in einem interaktiven Computerspiel untersucht über das sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten. Ergebnis: Ihre Versuchspersonen erreichten nur dann ein gemeinsames Klimaschutzziel, wenn jede Einzelne überzeugt war, dass ein Versagen mit hoher Wahrscheinlichkeit persönliche Folgen haben würde.

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Es ist die „tragedy of commons“, die Tragödie des Allgemeinguts, dass es hoffnungslos von allen ausgebeutet wird. Da es für alle kostenlos ist, geht kaum einer besonders rücksichtsvoll damit um. Das trifft zum Beispiel bei der Überfischung der Meere zu, aber auch beim globalen Klima: Wir verschmutzen die Atmosphäre mehr und mehr mit Treibhausgasen. Die Welt müsste ihre CO2-Emission bis 2050 um 50 Prozent senken – das wäre für uns alle von Vorteil, denn die globale Erwärmung trifft auch uns.

Aber die individuelle Investition in den Klimaschutz birgt ein persönliches Risiko: Wenn uns das nicht alle gleich tun, dann haben wir umsonst investiert und müssen die Folgen trotzdem tragen. Die gemeinsame Rettung des Allgemeinguts „Atmosphäre“ könnte vielleicht gelingen, wenn der Misserfolg für jeden einzelnen sehr wahrscheinliche hohe finanzielle Verluste hätte. Das bestätigte jetzt ein gemeinsames Experiment der Wissenschaftler von den Max-Planck-Instituten für Evolutionsbiologie und für Meteorologie. Aber das Experiment zeigt auch, dass Menschen selbst dann noch in einigen Fällen nicht genug investieren.

Ansatz aus der Spieltheorie genutzt

Die Forscher benutzten einen Ansatz aus der Spieltheorie. Sie ließen dreißig Gruppen von jeweils sechs Studenten am Computer ein interaktives Spiel spielen, bei dem jeder Einzelne Geld von seinem Konto in den „Klimaerhalt“ investieren konnte. Die Studenten einer Gruppe mussten gemeinsam ein Ziel von 120 Euro erreichen, um den simulierten „gefährlichen Klimawandel“ abzuwenden. Jeder Student verfügte über ein Startguthaben von 40 Euro. Er konnte in zehn aufeinander folgenden Runden jeweils entweder vier Euro, zwei Euro oder null Euro investieren. Die Wahl des Einzelnen geschah anonym, er konnte dadurch also weder sein Gesicht verlieren noch Reputation gewinnen.

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Die sechs eingezahlten Beträge wurden aber jedem Spieler in jeder Runde angezeigt und er konnte somit die Strategien der anderen Mitspieler beobachten. Das Spiel war finanziell lukrativ: Wenn eine Gruppe die 120 Euro aufbrachte, dann bekam jede Versuchsperson das restliche Guthaben auf ihrem eigenen Konto bar ausgezahlt. Gelang das nicht, verlor hingegen jeder alles, und zwar mit der vom Computer ausgewürfelten Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent.

„Gefährlichen“ Klimawandel abwehren

„Jeder Student möchte am Ende möglichst viel Geld erhalten“, sagt Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie. „Aber dazu muss er gemeinsam mit den anderen das kollektive Ziel erreichen.“ Jeder einzelne könnte nun darauf spekulieren, dass die anderen in seiner Gruppe genug investieren würden. Er kann sich zurückhalten und hat am Ende mehr Geld auf seinem Konto. Aber das birgt wiederum das Risiko, dass das kollektive Ziel nicht erreicht wird und der Gewinn somit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbleibt. Bei einer Verlustwahrscheinlichkeit von 90 Prozent ist es daher rational, Geld einzuzahlen. Nicht rational wäre es einzuzahlen, wenn das Verlustrisiko 50 Prozent oder gar nur zehn Prozent betragen würde. Auch diese zwei anderen Fälle simulierten die Forscher. So erfolgte der Verlust des Restguthabens bei einigen Gruppen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent oder nur zehn Prozent, wenn das kollektive Ziel nicht erreicht wurde.

„Wir wollten wissen, ob die egoistischen Überlegungen von Einzelnen zu einem kollektiven Erfolg führen würden, wenn das Verfehlen des kollektiven Ziels mit hoher Wahrscheinlichkeit den Verlust des restlichen Besitzes kostet“, sagt Milinski. „Also genau die Verhältnisse, die wir haben, um den gefährlichen Klimawandel abzuwenden.“ Und dies traf tatsächlich zu.

Menschen von den dramatischen Folgen des Klimawandels überzeugen

Die Hälfte der Gruppen, die einen Verlust mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit erwarteten, erreichte die Grenzmarke von 120 Euro, die andere Hälfte erreichte sie immerhin fast – und büßte ihr Restvermögen meistens ein. Alle anderen Gruppen dagegen blieben weit unter den 120 Euro. Es engagierten sich also besonders diejenigen Personen, die fürchteten, dass sie für den Fall eines kollektiven Misserfolgs mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Geld verlieren würden. Einige Studenten – die Minderheit – investierten sogar mehr als im Durchschnitt pro Person nötig gewesen wäre. Sie „opferten“ sich, weil sie sahen, dass andere zu wenig investierten.

„Dieses Experiment zeigt, dass man die Menschen von den noch zu erwartenden dramatischen Auswirkungen des Klimawandels überzeugen muss“, sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. Nur wenn sie sichere persönliche Nachteile fürchten, engagieren sie sich beim gemeinsamen Klimaschutz. „Aber bedenklich ist, dass die 90Prozent-Verlustrisikogruppen es in der Hälfte der Fälle nicht geschafft haben, die 120 Euro aufzubringen“, sagt Marotzke. „Das ist die schlechte Botschaft, denn größere Gruppen hätten sehr sicher noch mehr Probleme.“

So ist die Anzahl der Spieler, die am globalen „Klimaspiel“ teilnehmen, wesentlich höher als die Anzahl derjenigen im Experiment. „Vielleicht lassen sich die Ergebnisse unserer Arbeit besser auf kleine Versammlungen wie die der G-8 Staaten übertragen“, sagt Milinski. In jedem Falle müsse man aber an die eigenen Interessen der Beteiligten appellieren.

(idw – MPG, 19.02.2008 – DLO)

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