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Evolution

Neandertaler mobiler als gedacht

40.000 Jahre alter Zahn liefert ersten Beweis

Backenzahn eines Neandertalers aus einer Kalksteinhöhle an der Küste von Lakonis. © Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Ein 40.000 Jahre alter fossiler Zahn hat Forschern den ersten Beweis für die Mobilität der Neandertaler geliefert. Mittels modernster Lasertechnologie trugen die Wissenschaftler mikroskopisch kleine Zahnschmelzpartikel ab und analysierten den darin enthaltenen Anteil von Strontium-Isotopen. Strontium ist ein durch Nahrung und Wasser vom Körper aufgenommenes, natürlich vorkommendes Metall. Wie die Forscher im Journal of Archaeological Science berichten, konnten sie dadurch die geologischen Besonderheiten jener Orte ermitteln, an denen der Neandertaler gelebt hat, als sich der Zahn herausbildete.

Den Zahn, einen Backenzahn, fanden die Forscher während einer von Eleni Panagopoulou vom Griechischen Ministerium für Kultur geleiteten Ausgrabung in einer Kalksteinhöhle an der Küste von Lakonis (Südgriechenland). Er bildete sich heraus, als der Neandertaler zwischen sieben und neun Jahren alt war. Die Analyse der im Zahnschmelz befindlichen Strontium-Isotope deutete jedoch darauf hin, dass der Neandertaler zu diesem Zeitpunkt in einer anderen Region gelebt haben muss, deren Boden aus einem älteren vulkanischen Grundgestein bestand.

Diese neuen Erkenntnisse könnten nach Angaben des internationalen Forscherteams um Michael Richards vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Durham University in Großbritannien nun dabei helfen, die Antwort zu finden auf eine lang anhaltende Debatte bezüglich der Mobilität unseres bereits ausgestorbenen Verwandten.

Strontium belegt Neandertaler-Mobilität

Einige Forscher gehen davon aus, dass Neandertaler ihr Leben größtenteils an ein und demselben Ort verbrachten, während andere ihrer Mobilität eine größere Bedeutung beimessen und annehmen, dass sie in ihrem Leben längere Wanderungen zurücklegten. Wiederum andere Forscher sind der Meinung, dass Neandertaler sich innerhalb eines begrenzten Gebietes bewegten, möglicherweise aufgrund einer saisonalen Notwendigkeit bei der Nahrungsbeschaffung.

„Das durch Nahrung und Wasser aufgenommene Strontium wird, wie Kalzium auch, von Säugetieren während ihres Zahnwachstums absorbiert“, so Richards. „Unsere Tests zeigen, dass dieser Neandertaler an einem anderen Ort als dem jetzigen Fundort des Zahns gelebt haben muss, als sich seine Zahnkrone herausbildete.“ Und er fügt hinzu: „Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass dieser Neandertaler sich im Laufe seines Lebens über eine Entfernung von wenigstens 20 Kilometern, vielleicht sogar noch mehr, fortbewegt hat. Wir können davon ausgehen, dass Neandertaler sich im Laufe ihres Lebens von einem Ort zum anderen fortbewegten und nicht in geographisch eingeschränkten Arealen lebten.“

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Katerina Harvati, die ebenfalls am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht und die Studie ins Leben gerufen hatte, sagt: „Frühere Hinweise auf die Mobilität der Neandertaler stammen nur aus indirekten Quellen. Das sind Steinwerkzeuge oder Artefakte, die nicht aus der Region stammen konnten, wie zum Beispiel Muscheln, die man weit entfernt von der Küste fand. Aber keine dieser Quellen half uns bisher dabei, die Mobilität der Neandertaler mit einer Zahl zu versehen.“

Laser-Technologie enträtselt Neandertalerfossilien

Die Forscher glauben, dass sie mittels der Laser-Technologie auch andere seltene Neandertalerfossilien untersuchen und Vergleiche anstellen können, wie mobil Neandertaler in anderen Regionen oder zu einem anderen Zeitpunkt gewesen sind. Die Technologie könnte es den Wissenschaftlern darüber hinaus auch ermöglichen, kleinere Migrationen, die sich mit herkömmlichen Forschungsmethoden nicht untersuchen ließen, nun näher zu betrachten, und sie könnte möglicherweise auch bei der Erforschung früherer Menschen äußerst nützlich sein.

(MPG, 14.02.2008 – DLO)

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