Das genetische Alphabet besteht aus vier Buchstaben. Auch wenn unsere Körperzellen unsere Erbmoleküle ständig dechiffrieren, können wir im Labor nicht so ohne weiteres eine DNA-Sequenz ablesen. Wissenschaftler brauchen komplexe, sehr aufwändige Analysenmethoden, um die individuellen Codes der DNA zu knacken. Jetzt haben Forscher eine Methode entwickelt, die einen Weg zur direkten Sequenzierung des Erbmaterials weisen könnte.
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Das Verfahren von Volker Deckert und seinem Team vom Institute for Analytical Sciences (ISAS) in Dortmund basiert auf einer Kombination von Raman-Spektroskopie und Rasterkraftmikroskopie. Wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, gelang es ihnen, die nächste Verwandte der DNA – die RNA – zu analysieren.
Direkte Sequenzierung bedeutet, die vier Buchstaben des genetischen Codes zu lesen wie mit einer Lupe. Ein DNA- oder RNA-Strang hat einen Durchmesser von nur zwei Nanometern, entsprechend stark muss die Vergrößerung sein. Deckerts Team nutzt dazu ein Rasterkraftmikroskop.
Eine winzige versilberte Glasspitze fährt, vom Mikroskop gelenkt, über den RNA-Strang. Ein auf diese Spitze fokussierter Laserstrahl regt den Abschnitts des Strangs, der gerade abgerastert wird, und versetzt ihn in Schwingungen. Aus dem Streulichtspektrum, dem so genannten Ramanspektrum, lassen sich genaue Rückschlüsse auf die molekulare Struktur ziehen. Jeder genetische Buchstabe, sprich jede der vier Nucleobasen, schwingt anders und erzeugt daher einen charakteristischen spektralen „Fingerabdruck“.
„Spitzenverstärkte Raman-Spektroskopie“
Eine direkte Auflösung einzelner Basen haben die Forscher zwar nicht erreicht, sie ist aber auch gar nicht notwendig. Die Spitze muss lediglich in Intervallen von jeweils einem Base-Base-Abstand über den RNA-Strang bewegt werden. Auch wenn die gemessenen Daten dann aus einer Überlagerung der Spektren einiger benachbarter Nucleobasen bestehen, sollte sich daraus die Sequenz der RNA ableiten lassen.
Wenn sich die Methode, die als „Spitzenverstärkte Raman-Spektroskopie“ (TERS von engl. Tip-enhanced Raman Spectroscopy) auch auf DNA übertragen lässt, könnte sie die Entschlüsselung des Erbguts revolutionieren. Herkömmliche Methoden zur DNA-Sequenzierung sind sehr komplex, funktionieren nur indirekt und benötigen eine große Menge Erbmaterial. Die von Deckert entwickelte TERS dagegen „liest“ den Code direkt, ohne chemische Hilfsmittel oder Umwege. Und es wird nur ein einzelner DNA-Strang benötigt. „Die DNA-Sequenzierung könnte ganz einfach werden,“ sagt Deckert, „wie das Scannen eines Strichcodes an der Supermarktkasse.“
(idw – Gesellschaft Deutscher Chemiker, 29.01.2008 – DLO)