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Biotechnologie

Neues Gentechnikgesetz: Fortschritt oder Hemmschuh?

Bundestag verabschiedet Rechtsnovelle

foodwatch-Entwurf für "Ohne Gentechnik"-Siegel © foodwatch

Der deutsche Bundestag hat am Freitag eine Novelle des Gentechnikgesetzes verabschiedet. Es regelt unter anderem, welche Lebensmittel mit dem Etikett „Ohne Gentechnik“ versehen werden dürfen, die neue Richtlinie legt aber auch Mindestabstände beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft fest.

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So müssen zwischen Genmaisfeldern und konventionellen Maiskulturen 150 Meter liegen, gegenüber ökologischen Maiskulturen ist sogar ein Abstand von 300 Metern vorgesehen. Damit soll verhindert werden, dass sich Genmais-Samen auf Nachbarfeldern einnisten und dort neue Früchte hervorbringen, deren Samen im Folgejahr unerkannt als Saatgut verwendet werden.

„Die Änderung des Gentechnikgesetzes bedeutet eine Stärkung der Forschung in Deutschland. Vereinfachte Zulassungsverfahren sorgen dafür, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser arbeiten können. Deutsche Forschungseinrichtungen werden jetzt ihre weltweit anerkannte Expertise in der Grünen Gentechnik ausbauen können.“, kommentierte Bundesforschungsministerin Annette Schavan in Berlin die Novellierung des Gentechnikgesetzes.

Mehr Transparenz und mehr Sicherheit

„Das Gentechnikgesetz sorgt für Transparenz in Forschung und Anbau und für die Sicherheit der Verbraucher. Darüber hinaus wird auch den wirtschaftlichen Belangen der Landwirte Rechnung getragen. Wir müssen nun einen öffentlichen Dialog über die Chancen führen, die uns die Grüne Gentechnik eröffnet. Dazu zählt beispielsweise die Optimierung von Pflanzen zur Gewinnung von Bioenergie oder die notwendige Anpassung von Nutzpflanzen an den Klimawandel“, so Schavan weiter.

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BUND: Label „Ohne Gentechnik“ hilft Verbrauchern

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erneuerte anlässlich der Verabschiedung des neuen Gentechnikgesetzes dagegen seinen Vorwurf, Bundesregierung und Parlament hätten sich auf die Seite der Gentechnik-Industrie geschlagen. Landwirte, die weiterhin gentechnikfrei wirtschaften wollten, würden es nun schwerer haben.

Zugleich begrüßte der Umweltverband die künftig mögliche Kennzeichnung tierischer Produkte mit dem Label „Ohne Gentechnik“, die SPD und Bundesagrarminister Horst Seehofer gegen den Widerstand großer Teile von CDU/CSU durchsetzen konnten. Diese Kennzeichnung werde aller Voraussicht nach dazu führen, dass für Verbraucher auch bei konventionell erzeugten Milch- und Fleischprodukten und bei Eiern klar erkennbar werde, dass sie von Tieren stammten, die mit gentechnikfreien Futterpflanzen gefüttert wurden.

Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: „Die große Koalition hat leider die Chance vertan, die gentechnikfreie Landwirtschaft dauerhaft zu sichern. Damit hat sie sich gegen die Mehrheit der Menschen in Deutschland gestellt. Zur Resignation besteht jedoch kein Grund. Im Gegenteil, jetzt sind die Landwirte und Verbraucher am Zuge. Sie können den Gentechnik-Konzernen die Rote Karte zeigen, indem Landwirte gentechnikfreie Regionen gründen und die Konsumenten nach Produkten mit der Kennzeichnung `Ohne Gentechnik` fragen.“

Das Label „Ohne Gentechnik“ sei ein großer Fortschritt. Während die Verbraucher bei tierischen Produkten wie Milch, Fleisch und Eiern bisher vollkommen im Dunkeln tappten, ob die Tiere gentechnisch verändertes Futter bekommen hatten oder nicht, werde die neue Kennzeichnung hier endlich für Klarheit sorgen.

foodwatch fordert staatliche Kontrolle für „Ohne Gentechnik“-Siegel

Die Verbraucherrechtsorganisation foodwatch hat von der Bundesregierung jedoch eine staatliche Kontrolle für die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ gefordert. Mit einem derartigen Siegel erhielten die Verbraucher laut foodwatch nach dem Bio-Siegel das zweite garantierte Gütezeichen bei Lebensmitteln. Diesem müssten die Verbraucher genauso vertrauen können wie dem Bio-Siegel. „Zusätzlich muss die Bundesregierung mit einer Informationskampagne dafür sorgen, dass dieses neue staatliche Siegel ein Erfolg wird“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode.

„Der Bundestag verbessert mit der Möglichkeit der ‚Ohne Gentechnik‘-Kennzeichnung die Wahlfreiheit der Verbraucher in einem entscheidenden Punkt“, sagte Bode. Denn obwohl der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen von den meisten Bürgern abgelehnt werde, würden sie bislang zu Zwangsunterstützern einer umstrittenen Technologie gemacht. Schließlich lande der größte Teil gentechnisch veränderter Pflanzen im Futtertrog, ohne dass dies bei Fleisch und Milch für die Verbraucher erkennbar sei.

Die Regelungen im Einzelnen

Wie die Bundesregierung mitteilte, bringt das neue Gesetz deutliche Verfahrenserleichterungen: So gilt für Forschungsarbeiten in geschlossenen gentechnischen Anlagen in den untersten beiden Sicherheitsstufen ein Anzeigeverfahren anstatt eines Anmeldeverfahrens. Unmittelbar nach Anzeige darf ohne Wartefrist mit der Arbeit begonnen werden. Der Umfang der einzureichenden Unterlagen wird gestrafft.

Die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung

Die Verordnung führt für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen Sorgfaltspflichten ein. Diese gelten unter anderem für Anbau, Ernte, Transport, Lagerung, eingesetzte Gegenstände und Kontrolle auf Pflanzendurchwuchs. Außerdem regelt diese Verordnung die Einführung von Mindestabständen: Für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais wird gegenüber konventionellen Maiskulturen ein Mindestabstand von 150 Metern festgelegt. In der Nachbarschaft von ökologischen Maiskulturen ist ein Mindestabstand von 300 Metern vorgeschrieben. Mit der Differenzierung wird der besonderen Sensibilität des Marktes für ökologische Produkte Rechnung getragen.

Das EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz

Eine hohe Transparenz gewährleistet nach Ansicht der Bundesregierung das Standortregister: Das öffentliche Register weist auch künftig das genaue Grundstück aus, auf dem gentechnisch veränderte Pflanzen zum Einsatz kommen. Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher wird durch bessere Kennzeichnung erreicht. Die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln wird auf Milch, Eier, Käse und Fleisch ausgedehnt. Die Nutzung der Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ wird an die EG-Öko-Verordnung angepasst.

Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung

Die Verordnung regelt die Details, wann ein Lebensmittel mit dem Etikett „Ohne Gentechnik“ versehen werden kann. Das ist der Fall, wenn das Lebensmittel nicht aus einem genetisch veränderten Organismus besteht oder hergestellt worden ist. Auch die zur Herstellung verwendeten Stoffe dürfen nicht aus genetisch veränderten Organismen bestehen oder hergestellt worden sein.

Dies gilt – so die Bundesregierung – insbesondere auch für Lebensmittel von Tieren, die ohne gentechnisch veränderte Futterpflanzen gefüttert worden sind. Die Neuregelung der Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ wird daher in der Praxis besonders für Fleisch, Milch und Eier, also für tierische Produkte, von Bedeutung sein.

(Bundesregierung online/BMBF/BMU/BUND/foodwatch, 28.01.2008 – DLO)

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