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Geowissen

Plattentektonik komplexer als gedacht

Neue Untersuchungen widersprechen klassischer Theorie

Ausbruch des Santiaguito im Santa Maria Vulkan Komplex in Guatemala (Feb. 2005). © Kaj Hoernle, IFM-GEOMAR

Die Prozesse, die sich an den Grenzen von Kontinentalplatten abspielen, sind offenbar komplexer als bisher gedacht. Dies berichten Kieler Wissenschaftler in der Onlineausgabe der internationalen Wissenschaftszeitschrift „Nature“. Untersuchungen vor der Küste Mittelamerikas zeigen, dass es beim Abtauchen des Meeresbodens unter den amerikanischen Kontinent zu bisher unerkannten Fließrichtungen im Mantel kommt. Diese Bewegungen gibt es nicht nur quer zur Küste wie bisher geglaubt, sondern auch parallel zum aktiven Vulkanbogen entlang des Kontinents.

Die neu entdeckten Bewegungen im Mantel sind möglicherweise eine Folge der Wanderung der Subduktionszone relativ zum Kontinent. Die Erkenntnisse aus der aktuellen Studie erfordern eine Modifikation bisheriger geologischer Modelle, die auch als Basis für Risikoabschätzungen für Erdbeben und Vulkaneruptionen dienen, so die internationale Forschergruppe in „Nature“ weiter. Darüberhinaus haben die Forschungsergebnisse auch eine Bedeutung für die Flüsse von klimawirksamen Gasen aus Vulkanen.

Dort wo Erdplatten aneinander stoßen, kommt es häufig zu großen Erdbeben und Vulkaneruptionen. Besonders ausgeprägt sind diese Zonen rund um den Pazifik, wo sich vor der Küste meist ein Tiefseegraben befindet, an dem die schwerere ozeanische Platte unter die leichtere kontinentale abtaucht. Das dabei in großer Tiefe freigesetzte Wasser führt zum teilweisen Schmelzen des überlagernden Erdmantels und zur Bildung von Vulkanketten an der Erdoberfläche parallel zur Küste.

Wie Erdplatten abtauchen

Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Fluide und Volatile in Subduktionszonen: Klima-Rückkopplungen und Auslösemechanismen von Naturkatastrophen“, der an der Kieler Christian-Albrechts Universität und am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) angesiedelt ist, haben Wissenschaftler die Prozesse beim Abtauchen (Subduzieren) einer solchen Platte genauer untersucht. Zielgebiet war die Subduktionszone Mittelamerikas entlang der pazifischen Küste von Nicaragua bis Costa Rica.

Beprobung eines aktiven Lavaflusses © Kaj Hoernle, IFM-GEOMAR

Die Daten und Erkenntnisse von mehreren Expeditionen hinsichtlich Zusammensetzung und Alter der Vulkangesteine, wie auch der seismischen Eigenschaften des Untergrunds, ermöglichen nun den Nachweis und die quantitative Abschätzung der Fließrate im Erdmantel unter dem Vulkanbogen. Die Ergebnisse beweisen, dass Bewegungen im Erdmantel nicht nur parallel zu den Plattenbewegungen stattfinden. „Was uns wirklich erstaunt hat ist die Tatsache, dass es auch einen so bedeutenden Mantelfluss parallel zur Küste gibt“, so Professor Kaj Hoernle vom IFM-GEOMAR.

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Wie groß sind die Risiken von Naturgefahren?

„Die ozeanische Platte wandert etwa mit 85 Millimetern (mm) pro Jahr auf die Küste zu, die Querströmung des Erdmantels liegt mit geschätzten 60 bis 190 mm pro Jahr in der gleichen Größenordnung“, führt Hoernle weiter aus. „Bisher wurde dies weltweit in Modellen von Subduktionszonen nicht berücksichtigt. Für die Abschätzung der Schmelzprozesse und Gasgehalte der Laven ist dies aber wichtig, denn es trägt zum globalen Verständnis der großräumigen Transportmechanismen von Materialien in Subduktionszonen bei.“

Die neuen Erkenntnisse unterstützen laut Hoernle aber auch die Abschätzung von Flussraten klimarelevanter vulkanischer Gase zur Erdoberfläche und weiter in die Atmosphäre. Weiterhin können die neuen Modelle helfen, die Risiken von Naturgefahren in Subduktionszonen besser bewerten zu können. „Hier erleben wir nämlich die größten und gefährlichsten Vulkaneruptionen und Erdbeben.“, so der Wissenschaftler.

Abtauchen von Erdplatten besser verstehen

Der Sonderforschungsbereich, der im Jahr 2001 eingerichtet wurde, hat zum Ziel, die Prozesse beim Abtauchen von Erdplatten besser zu verstehen und zu quantifizieren, um auf dieser Basis bessere Risikoabschätzungen für die damit verbundenen Naturgefahren sowie den Einfluss auf unser Klima zu ermöglichen. An der Studie waren auch Partner verschiedener Einrichtungen in den USA, Costa Rica und Nicaragua beteiligt.

(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 28.01.2008 – DLO)

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