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GeoUnion

Ozean-Wetterbericht

Neues Vorhersagesystem nimmt Routinebetrieb auf

Die Ozean-Vorhersageregionen © MERSEA IP

Die Frage: “Wie wird das Wetter morgen?” lässt sich seit Jahrzehnten durch routinemäßig arbeitende Wettervorhersagedienste für jeden mehr oder weniger zufriedenstellend beantworten. Seit neuestem steht ein vergleichbarer Service auch für den Ozean zur Verfügung. Um diesen Service zu verwirklichen, wurde in den letzten Jahren ein europäisches Netzwerk von Beobachtungsplattformen, numerischen Modellen sowie einem zugehörigen Informationsportal der beobachteten und simulierten Daten aufgebaut. In diesem Jahr wird der bisherige Testbetrieb des Ozean-Vorhersagesystems in den Routinebetrieb überführt.

Das Vorhersagesystem, welches zunächst noch unter dem Synonym MERSEA und ab Mitte des Jahres unter MyOcean geführt wird, errechnet globale Vorhersagen – beispielsweise die Richtung und Stärke von Meeresströmungen, Wellenhöhen und die Verteilung von Temperatur und Salzgehalt an der Oberfläche sowie in unterschiedlichen Tiefen des Ozeans.

Zur Erstellung dieser Vorhersagen wird der Ozean in Gitterboxen eingeteilt. Die Boxen für das Modell des globalen Ozeans haben eine Größe von etwa 25km x 25km. Für weitere Regionen, die für Europa von besonderem Interesse sind – wie beispielweise der Nordostatlantik, das Mittelmeer, die Nord- und Ostsee sowie der Arktische Ozean – werden teilweise nur 1km x 1km großen Boxen verwendet. Auch die Vorhersagezeiträume sind unterschiedlich: Global werden wöchentliche Vorhersagen erstellt, regional können bis zu stündliche Vorhersagen abgerufen werden.

Satelliten und Tiefseedrifter

Tagemittelwert der Oberflächentemperatur aus verschiedenen Satellitendaten. An den weissen Stellen liegen keine Daten vor. © CERSEAT

Das Vorhersagesystem selbst besteht aus Großrechenanlagen, die in diversen europäischen Staaten stehen. Mit Hilfe von mathematischen Gleichungen wird die zeitliche Entwicklung bestimmter Größen berechnet. An der Ozean-Oberfläche wird die Entwicklung der Atmosphäre etwa Winde, Temperaturen und auch die Luftfeuchtigkeit berücksichtigt. Wichtig für eine gute Vorhersage ist es den “Ist-Zustand” an der Oberfläche und im Innern des Ozeans möglichst genau zu kennen. Dazu ist ein weitreichendes Netz von Beobachtungsplattformen aufgebaut worden. Die beiden wichtigsten Standbeine dieses Beobachtungsnetzes sind zum einen Satelliten, die mit speziellen Sensoren hochauflösend Eigenschaften wie Temperatur oder Chlorophyll-Gehalt an der Oberfläche des Ozeans abtasten.

Des Weiteren gibt eine Flotte von global etwa 3000 autonom arbeitenden Tiefseedriftern Auskunft über das Innere des Ozeans. Diese Drifter, die frei mit der Strömung treiben, erfassen etwa alle zehn Tage die Temperatur und den Salzgehalt der oberen 2000m des Ozean, die dann in das Vorhersagesystem eingespeist werden.

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Zusätzlich werden noch Beobachtungsdaten durch Schiffsmessungen gewonnen und Daten von im Ozean fest verankerten Sensoren in das System eingespeist. Entscheidend für den Gebrauch der Daten zur Vorhersage, ist die schnelle Übertragung vom Messort an die Datenzentren – dieses geschieht über Satellitenkommunikation.

Mehr Sicherheit für Flug-, Straßen- und Schiffsverkehr

Tanker Erika sinkt 1999 vor der französischen Küste © IFM-Geomar

Was bringt diese Ozean-Vorhersage dem Einzelnen? – für Wassersportler scheint diese Frage relativ einfach zu beantworten. Aber wie auch bei der Wettervorhersage sind “freizeitorientierte” Anwendungen eher ein Nebenprodukt der eigentlichen Vorhersagebemühungen. Die Frage, ob ein Wochenende besser für einen Museumsbesuch als zum Segeln genutzt werden sollte, rechtfertigt nicht die enormen Anstrengungen und Kosten, die hinter diesen Diensten stehen. Die eigentliche Bedeutung der Vorhersagedienste liegt darin, die Sicherheit im Flug-, Straßen- und Schiffsverkehr zu gewährleisten. Neben Warndiensten für Küstenregionen werden die Daten beispielsweise auch zur Bestimmung der Verdriftung von Ölverschmutzungen oder auch von Algenteppichen genutzt.

Weitere ökonomische Relevanz hat die Optimierung von Schiffsrouten oder der Schutz von Fischfarmen vor Temperaturanomalien, die die Bestände gefährden können. Nicht zu letzt profitiert auch der Wetterbericht von der Ozean-Vorhersage: Der Ozean bildet mit einer Bedeckung von 70 Prozent der Erdoberfläche eine wichtige “Randbedingung” für die gute Vorhersage der Wetterentwicklung. Auf lange Sicht ist der Vorhersagedienst auch von großer Bedeutung für die Beurteilung des Klimas auf unserer Erde.

Ausbau des Systems geht weiter

Obwohl durch die Überführung des Vorhersagesystems in den Routinebetrieb ein wichtiger Schritt vollzogen wurde, wird weiter am Ausbau des Systems für zukünftige Anwendungen gearbeitet – dabei steht das “Ökosystem Meer” im Vordergrund. Chemische und biologische Prozesse lassen sich wesentlich ungenauer in Form von mathematischen Gleichungen darstellen, als etwa Strömungen und Temperaturverteilungen. Zur Vorhersage des Ökosystems Meer ist daher die Erhebung von biologischen und chemischen Beobachtungsdaten äußerst wichtig, um vorhandene Modelle zu kalibrieren bzw. deren Berechnungen zu überprüfen. Leider ist aber auch die Datenerhebung weitaus komplexer als bei den physikalischen Kenngrößen und oft müssen neuartige Techniken und Instrumente eingesetzt werden.

Teil eines weltumspannenden Netzwerks

Das Ozean-Vorhersagesystem ist Teil eines weltumspannenden Netzwerks von Beobachtungs- und Analyse-Systemen, die im globalen GEOSS Programm vereint sind. GEOSS, welches vielleicht als “Globales Erdbeobachtungssystem von Systemen” übersetzt werden kann, ist eine weltweite Initiative, die sicherstellen soll, dass die für das Leben des Menschen auf der Erde wichtigsten Prozesse ausreichend und langfristig beobachtet werden. Die GEOSS Themen umfassen: Gesundheit, Wasser, Atmosphäre, Energie, Klima, Landwirtschaft, Biodiversität, Naturkatastrophen und Ökosysteme. Besondere Ereignisse und langfristige Veränderungen müssen erkannt werden, um gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten, die Schäden für den Menschen und die Natur abhalten.

Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel (IFM-GEOMAR) und dem Excellenzcluster „Ozean der Zukunft“ unterstützen das Vorhersagesystem durch Design und Testbetrieb von Komponenten des Beobachtungs- und des Modellsystems. Dazu gehören Einsätze von neuartigen Tiefseedriftern, die neben Temperatur- und Salzgehaltsensoren auch den Sauerstoffgehalt, Chlorophyll-a sowie Kohlenstoff messen und zu einer Verbesserung des Ökosystemmodells dienen. Auch der Einsatz ‚ferngelenkter‘ Mini U-Boote, die gezielt biologische Ereignisse, wie etwa eine Algenblüte beproben, gehört zu den neuartigen Beobachtungstechniken, die in Kiel durchgeführt werden. Verbesserungen bei den Modellrechnungen findet man durch neuartige Algorithmen, die die Wechselwirkung biologischer und chemischer Kreisläufe im Meer besser darstellen.

Links:

www.mersea.eu.org (MERSEA)

www.d-geo.de/index_ge.htm (GEOSS)

www.ifm-geomar.de (IFM-GEOMAR)

www.ifm-geomar.de/index.php?id=glider (Mini U-Boote)

(Johannes Karstensen, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM Geomar), Kirsten Achenbach, MARUM_Forschungszentrum Ozeanraender Universitaet Bremen, 25.01.2008 – DLO)

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