Die Lufttemperatur im Ostseeraum ist in den letzten 100 Jahren bereits um etwa 0,85 Grad Celsius gestiegen. Damit liegt die Erwärmung um genau ein Zehntel Grad über der im IPCC-Bericht festgestellten mittleren globalen Temperaturerhöhung von 0,75 Grad Celsius. Die Veränderungen im Ostseeraum sind jedoch regional unterschiedlich: So betrug der Anstieg der Lufttemperatur im Norden etwa ein Grad Celsius, im südlichen Raum rund 0,7 Grad Celsius. Dies geht aus der ersten umfassenden Bestandsaufnahme zum Klimawandel im Ostseeraum hervor, die jetzt Wissenschaftler vorgelegt haben.
Die 80 Forscher aus 13 europäischen Ländern kommen in ihrem soeben erschienenen Buch „Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin“ (BACC) darüberhinaus zu dem Schluss, dass die Lufttemperaturen im Ostseeraum bis zum Jahr 2100 um bis zu fünf Grad ansteigen könnten. „Der BACC-Bericht ist eine regionale Variante des vom Weltklimarat veröffentlichten IPCC-Reports zur globalen Klimaänderung“, so der Leiter des Instituts für Küstenforschung am GKSS-Forschungszentrum und Initiator des Berichts, Professor Hans von Storch.
Szenarien zum Ende dieses Jahrhunderts
Die Zusammenarbeit von Meteorologen, Biologen, und Ozeanographen ermöglichte im Rahmen des Ostsee-Klimaprojektes die Entwicklung fächerübergreifender Einschätzungen für den Zeitraum bis 2100. Die Ergebnisse umfassen physikalische Parameter bis hin zu daraus resultierenden möglichen Auswirkungen für das Ökosystem an Land, in Binnengewässern und in der Ostsee.
Sofern deutliche Klimaschutzmaßnahmen nicht gelingen sollten, würden die Lufttemperaturen nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler vermutlich bis zum Ende dieses Jahrhunderts um maximal vier bis sechs Grad Celsius im nördlichen Ostseeraum und um drei bis fünf Grad Celsius im südlichen Gebiet – dazu zählen große Teile Polens und Ostdeutschlands – steigen. Dieses mildere Klima würde dazu führen, dass die winterliche Eisbedeckung der Ostsee um möglicherweise 50 und 80 Prozent abnimmt. Die Experten erwarten auch eine Veränderung der Niederschläge: Im Winter könnten diese zwischen 25 und 75 Prozent zunehmen, im Sommer ist mit einer Abnahme um bis zu 45 Prozent zu rechnen.
Höhere Wassertemperaturen, höherer Meerersspiegel?
Für das Wasser der Ostsee zeigen die Simulationen einen möglichen Anstieg der Oberflächentemperatur um zwei bis vier Grad Celsius. Wissenschaftler erwarten einen Anstieg des globalen Meeresspiegels – laut IPCC – um 20 bis 60 Zentimeter bis zum Ende des Jahrhunderts. Im Falle der Ostsee wird dieser Anstieg nach den Ergebnissen des BACC-Reports aber überlagert von Landsenkung und -hebung. Im Süden werden Anstiege erwartet, im Norden werden diese jedoch teilweise von natürlicher Landhebung kompensiert.
Tiere und Pflanzen reagieren auf Veränderungen
Wärmeres Ostseewasser und eine Abnahme des Salzgehalts hätten auch großen Einfluss auf die Ostseeflora und –fauna, so die Forscher weiter. Betroffen davon wäre das gesamte Ökosystem von Bakterien bis hin zu kommerziell genutzten Fischarten wie dem Dorsch.
Die erhöhte Niederschlagsmenge und der damit steigende Frischwassereintrag könnten zum Beispiel im laufenden Jahrhundert zu einer Abnahme des mittleren Salzgehaltes der Ostsee führen und so das Überdüngungsproblem in der Ostsee und damit verbundene Algenblüten zusätzlich verschärfen.
Eine durch den Klimawandel reduzierte Eisbedeckung der Ostsee wird laut dem BACC-Bericht zwar neue Möglichkeiten für die Schifffahrt bieten, aber vermutlich auch Einfluss auf Tierpopulationen wie die etwa die Ostsee-Ringelrobbe haben. Diese im Ostseeraum heimischen Tiere sind zur Fortpflanzung auf Eisflächen angewiesen. An Land dagegen wird die Vegetation wahrscheinlich üppiger und der Frühling früher einsetzen.
Weitere Forschung nötig
Die Ergebnisse des neuen Berichts bildeten bereits die Grundlage für die Studie der Kommission zum Schutze der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM). „Klimaszenarien sind plausible, aber oftmals vereinfachte Beschreibungen möglicher Zukünfte. Eindeutige Vorhersagen sind dies jedoch nicht“, erläutert der wissenschaftliche Sprecher des BACC-Projektes von Storch den weiteren Forschungsbedarf für den Ostseeraum und betont gleichzeitig die Notwendigkeit eines sensiblen Umgangs mit wissenschaftlichen Ergebnissen.
Eine Aktualisierung des nun publizierten Ostsee-Berichts ist in fünf Jahren geplant: „Bis dahin wissen wir sehr viel mehr über die Perspektiven und Folgen des Klimawandels und können umfassendere Aussagen zu Anpassungsstrategien machen“, so von Storch weiter. Die Arbeiten werden auch weiterhin Bestandteil des Ostseeforschungsprogramms BALTEX (Baltic Sea Experiment) sein. Das BALTEX-Büro ist im GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht beheimatet.
Dem Beispiel des Ostseeberichts folgen derzeit andere Initiativen. Im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes (CLISAP) errichtete die Universität Hamburg den KlimaCampus Hamburg und erarbeitet mit tatkräftiger Hilfe der Geesthachter Küstenforscher einen vergleichbaren Klimabericht für die Metropolregion Hamburg – erste Ergebnisse werden Ende 2009 erwartet.
(idw – GKSS-Forschungszentrum Geesthacht, 23.01.2008 – DLO)