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Medizintechnik

Gedanken steuern Cursor

Neues Verfahren ermöglicht Prothesensteuerung ohne tief implantierte Elektroden

Die Steuerung einer Prothese über in das Gehirn eingesetzte Elektroden ist bereits mehrfach erfolgrteich gestestet worden. Doch die Implantation birgt Risiken und ist nicht sehr stabiöl. Jetzt haben deutsche Forscher eine Alternative entwickelt, bei der die Elektroden nur auf der Gehirnoberfläche aufliegen.

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Jede Bewegung, die wir ausführen – jeder Griff und jeder Schritt – hat ihren Ursprung im Gehirn. Die Signale des Gehirns auch zur Steuerung von Prothesen oder zur Bedienung eines Computers zu nutzen, um somit die Grundlagen für die Entwicklung einer Prothesenansteuerung für schwerstgelähmte Patienten zu schaffen, ist das Ziel von Carsten Mehring und seiner Arbeitsgruppe am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und am Institut für Biologie I der Universität Freiburg.

Gemeinsam mit Kollegen vom Universitätsklinikum Freiburg konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich mit Hilfe von auf die Hirnoberfläche aufgesetzten Elektroden kontinuierliche Armbewegungen vorhersagen lassen. Die Arbeit wird in der Januar- Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Neuroscience Methods“ publiziert.

Alternative zu voll-implantierten Elektroden gesucht

Die Wissenschaftler um Mehring nutzten zur Messung elektrischer Signale des Gehirns ein so genanntes „semi-invasives“ Verfahren, die Elektrocorticographie (ECoG). „Wir suchen damit einen optimalen Kompromiss zwischen voll-invasiven und nicht-invasiven Methoden“, erklärt Mehring. Bei nicht-invasiven Methoden wie dem EEG werden Elektroden auf der Kopfhaut angebracht. Das neuronale Signal wird auf der Schädeldecke gemessen und ist von entsprechend geringer räumlicher Auflösung.

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Bei voll-invasiven Methoden werden die Elektroden dagegen wenige Millimeter tief in das Gehirn implantiert, so dass die Aktivität einzelner Neurone oder Gruppen von Neuronen registriert werden kann. Das Signal ist sehr viel genauer und es reicht aus, um komplexe Bewegungen zu steuern. Erste klinische Studien an schwerstgelähmten Patienten wurden mit dieser Methode bereits erfolgreich durchgeführt. Noch lässt sich allerdings kaum sagen, inwiefern das Gehirn durch die implantierten Elektroden verletzt werden kann oder wie stabil die so gemessenen Signale über längere Zeit sein werden.

Oberflächliche Signale steuern Cursor

Beim von den Forschern eingesetzten ECoG werden die Elektroden direkt auf der Gehirnoberfläche implantiert und dringen nicht in das Gehirngewebe ein. Sie messen Spannungsveränderungen an der Hirnoberfläche, die von großen Gruppen von Neuronen hervorgerufen werden. Diese Methode ist weniger invasiv und die gemessenen Signale sind voraussichtlich über längere Zeit stabil. „Wir möchten überprüfen, ob sich diese Methode zur Steuerung von Bewegungen eignet und somit eine mögliche Alternative zu voll- invasive Methoden darstellt“, erklärt Mehring und fährt fort: „Unsere Ergebnisse geben uns die Hoffnung, dass das funktionieren könnte“.

Seine Untersuchungen führte Mehring an Epilepsiepatienten durch, denen zur Vorbereitung auf eine Gehirnoperation bereits Elektroden unter die Schädeldecke implantiert waren. Ihre Hirnaktivität wurde aufgezeichnet, während sie durch Betätigung eines Handgriffs mit einem Cursor einen Zielpunkt auf einem Bildschirm ansteuerten. Mit Hilfe mathematischer Algorithmen ist es den Wissenschaftlern gelungen, aus diesen Messungen Hirnsignale zu extrahieren, die mit der Cursorbewegung korrelierten und mit denen eine kontinuierliche Rekonstruktion der Bewegung möglich war.

Reine Gedankensteuerung als nächster Schritt

In einem nächsten Schritt möchten Mehring und seine Kollegen nun untersuchen, wie gut sich die Strategie nutzen lässt, um nur mit Hilfe der neuronalen Aktivität einen Cursor auf dem Bildschirm zu steuern, ohne dass der Proband dabei den Arm bewegt.

„Vorherige Studien zeigen, dass sich die Rekonstruktion der Bewegung aus den Hirnsignalen auf diese Weise noch verbessern läßt, weil der Proband lernen kann seine Hirnaktivität an die Cursorsteuerung anzupassen“, so Mehring. „Es besteht die Hoffnung, dass, basierend auf solchen Methoden, in Zukunft eine Prothesenansteuerung oder ein Kommunikationsmittel für schwerstgelähmte Patienten entwickelt werden kann. Bis zur praktischen Anwendung solcher Geräte am Patienten müssen allerdings noch viele wissenschaftlich-technische Probleme gelöst werden“.

(Bernstein Centers for Computational Neuroscience, 18.01.2008 – NPO)

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