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Botanik

Wie Algen durchblicken

Eiweiße und Modifikationen des Augenflecks aufgeklärt

Die Signalverarbeitung bei der Lichtwahrnehmung der Grünalge "Chlamydomonas reinhardtii" verläuft wahrscheinlich nach ähnlichen Mechanismen wie bei Wirbeltieren. Das fanden Botaniker der Universität Jena um Prof. Dr. Maria Mittag heraus. © Mittag/FSU

Wie und womit sehen Algen? Diese Frage ist noch längst nicht endgültig geklärt. Bekannt ist seit langem, dass Algen mithilfe des so genannten Augenflecks Licht wahrnehmen und so „hell“ und „dunkel“ unterscheiden können. Nun ist Botanikern der Universität Jena ein wichtiger Schritt bei der Entschlüsselung der Funktionsweise dieses „Sehapparates“ gelungen. Sie konnten Eiweiße und Modifikationen des Augenflecks der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii aufklären, die im feuchten Boden und in Süßwasser lebt.

„Natürlich ist das ‚Sehen‘ einzelliger Algen nicht direkt vergleichbar mit der Sinneswahrnehmung höherer Organismen“, sagt Professorin Maria Mittag. Der Augenfleck, das primitive Auge, ermöglicht es ihnen aber gezielt auf Licht zu reagieren und darauf zu oder von ihm weg zu schwimmen. Die Jenaer Forscher haben zusammen mit Kollegen der Universität Erlangen-Nürnberg dieses visuelle System der Algen untersucht.

Dazu isolierten die Botaniker sämtliche Eiweiße, aus denen der Augenfleck aufgebaut ist, und analysierten deren Struktur und Zusammensetzung. Über 200 Eiweiße konnten sie identifizieren und ihre Modifikationen im Augenfleck der Algen bestimmen. „Der Augenfleck befindet sich am Rande des Chloroplasten der Algenzelle“, so Mittag. „Doch anders als dieser enthält der Augenfleck nur wenig des grünen Farbstoffs Chlorophyll“, sagt die Botanikerin. Stattdessen enthält dieser große Mengen an Karotinoiden – orangefarbigen Pigmenten.

Die Innere Uhr der Algen

„Interessanterweise besitzt dieser primitive Augenfleck auch Eiweiße, welche in den Augen von Tieren und vom Menschen vorkommen“, erläutert Mittag und nennt als Beispiel ein Eiweiß mit Namen „SOUL-Häm-Bindeprotein“. Hinweise darauf sind auch in der Netzhaut im Auge höherer Organismen zu finden. Ebenso sind diese auch in der Zirbeldrüse enthalten, jenem Organ im Gehirn, das bei Menschen und Tieren an der Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus beteiligt ist.

Diese Ähnlichkeiten sind kein Zufall. „Ganz ähnlich wie Auge und Zirbeldrüse bei Säugern oder uns Menschen, steuert der Augenfleck die Lichtwahrnehmung und könnte somit an der Synchronisation des Tag- Nacht-Rhythmus‘ der Algen beteiligt sein“, erläutert Mittag.

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Moleküle als Lichtrezeptoren

Außerdem fanden die Forscher, dass die Modifikationen so genannter Rhodopsine im Augenfleck der Algen konserviert sind. Diese Moleküle sind als Lichtrezeptoren auch in den Augen von Wirbeltieren mit diesen Modifikationen zu finden. „Das lässt darauf schließen, dass der Lichtsignalweg bei den Grünalgen und Wirbeltieren nach ähnlichen Mechanismen gesteuert wird“, macht Mittag deutlich. Auch hinsichtlich der übrigen Eiweiße unterscheidet sich der Augenfleck deutlich von den übrigen Zellstrukturen der Algen. So finden sich viele Eiweiß-Bausteine, die wasserabweisende Eigenschaften besitzen.

„Das ist nicht nur wichtiges Grundlagenwissen für uns Botaniker“, ordnet Mittag die aktuellen Forschungsergebnisse ein. „Vielmehr lassen sich daran auch entwicklungsbiologische Prozesse ableiten, etwa wie das Auge höher entwickelter Organismen entstanden ist.“ Selbst therapeutische Anwendungen seien eines Tages denkbar. Versuche aus anderen Labors, ein Algen-Rhodopsin in andere Organismen zu übertragen, zeigten bereits Erfolge. So kann dieses Eiweiß Nervenzellen in damit behandelten Fadenwürmern stimulieren und bei diesen Lichtreaktionen auslösen beziehungsweise bei blinden Mäusen partielles Sehen vermitteln.

(idw – Universität Jena, 10.01.2008 – DLO)

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