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Neurobiologie

Mittagsschlaf hilft beim Lernen

Schlafen beschleunigt das Einprägen von neuen Fertigkeiten

Wer mittags ein Nickerchen hält, ist vielleicht nicht nur müde, sondern verfolgt eine besonders raffinierte Strategie des Lernens: Denn eine jetzt in „Nature Neuroscience“ erschienene Studie hat enthüllt, dass ein kurzer Schlaf nach dem Erlernen einer neuen Fertigkeit die Verarbeitung und das Gedächtnis für das Gelernte verbessert und das Gehirn dabei auch weniger anfällig für Störungen macht.

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Das Langzeitgedächtnis besteht aus den Erinnerungen, die selbst über viele Jahre hinweg erhalten bleiben. Diese bestehen aus zwei unterschiedlichen Gedächtnistypen: Gespeichert wird zum einen das „Was“ – beispielsweise was gestern geschah oder was wir gelesen haben. Zum anderen aber konserviert das Gehirn auch das Wissen über das „Wie“ – zum Beispiel die Fähigkeit, Fahrrad zu fahren, Klavier zu spielen oder zu lesen.

Schlafen verbessert Lernfortschritte

In einer Kooperation zwischen der Universität Haifa und der Universität von Montreal untersuchten Forschende nun, wie ein Tagesschlaf die Bildung von Erinnerungen des „Wie“-Typs beeinflusst. Dazu trainierten zwei Gruppen von Freiwilligen zunächst eine bestimmte motorische Fertigkeit, bei der sie Daumen und Zeigefinger einer Hand in einer festgelegten Abfolge zusammenbringen mussten. Eine der Gruppen durfte am Nachmittag nach der Übungssitzung eineinhalb Stunden schlafen, die andere Gruppe musste bis zur nächsten Testrunde am Abend wach bleiben.

Es zeigte sich, dass die Tagesschläfer im abendlichen Test deutlich besser abschnitten als noch am Nachmittag, während die Nichtschläfer keinerlei signifikante Steigerung in ihrer Fähigkeit, sich die Abfolge zu merken, aufwiesen. „Dieser Teil der Studie zeigt, dass der Tagesschlaf die Fortschritte beim Erlernen einer Tätigkeit im Gehirn beschleunigen kann“, erklärt Avi Karni, Professor am Zentrum für Gehirn und Verhalten der Universität von Haifa. „Nach einer Nacht Schlaf lagen beide Gruppen wieder gleich auf, aber die Nachmittagsschläfer verbesserten sich schneller als die Personen, die wach bleiben mussten.“

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Verarbeitung neuer Fähigkeiten ist störungsanfällig

Ein zweites Experiment enthüllte noch eine andere positive Wirkung des Tagesschlafs: Es ist bekannt, dass beim Erlernen einer Fertigkeit das Gehirn in den nächsten sechs bis acht Stunden nach der Übung sehr anfällig ist für Störungen. Wenn in dieser Phase eine zweite, unterschiedliche Tätigkeit ebenfalls neu gelernt werden soll, hat das Gehirn die erste Fähigkeit noch nicht vollständig verarbeitet und „verlernt“ diese durch die Überlagerung der neuen Eindrücke.

Die Wissenschaftler testeten auch bei diesem Aspekt die Wirkung eines Tagesschlafs: Die Freiwilligen lernten dafür zwei Stunden nach der ersten Daumen-Finger-Abfolge eine zweite, davon verschiedene. Eine Gruppe der Versuchspersonen durfte unmittelbar nach der ersten Übungsrunde und vor Beginn der zweiten Aufgabe einen Mittagsschlaf halten, die andere musste wach bleiben.

Tagesschlaf „immunisiert“ Gehirn gegen Störungen

Zunächst schienen sich keine Unterschiede zu zeigen: Bei den Tests am Abend machten weder die Schläfer noch die Nichtschläfer nennenswerte Fortschritte bei der Durchführung der ersten Daumen-Finger-Aufgabe. Die Überraschung folgte am nächsten Morgen. Denn bei erneuten Tests hatten die Tagesschläfer plötzlich einen deutlichen Vorsprung vor ihren nichtschlafenden Mitprobanden.

„Dieser Teil der Studie demonstriert zum ersten Mal, dass Tagesschlaf die Zeit verkürzen kann, die unser „Wie”-Gedächtnis braucht um gegen Störungen immun zu werden“, erklärt Karni. „Anstatt in sechs bis acht Stunden festigte das Gehirn das Gedächtnis der Bewegungssequenz während des 90-minütigen Schlafs.“

Welcher Mechanismus genau für diese Beschleunigung des Merkens verantwortlich ist, ist allerdings noch nicht geklärt. Bis dahin aber kann es offenbar nicht schaden, zwischen zwei zu lernenden Aufgaben einen kurzes Nickerchen einzuschieben.

(University of Haifa, 09.01.2008 – NPO)

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