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Ökologie

Duft-Krieg zwischen Schmetterlingen und Ameisen

Brutparasitismus mithilfe einer chemischen Tarnkappe entdeckt

Ameisenbläuling © University of Copenhagen

Unter uns Menschen ist das Parfümieren zwecks Verbesserung des eigenen Geruchs alltäglich und eher harmlos. Doch für die Raupen des Ameisenbläulings ist der passende Duft überlebenswichtig. Denn sie tarnen sich damit als Ameisenlarven und werden so im Ameisenstock mitversorgt. Diese Rolle des Dufts enthüllt jetzt eine in „Science“ veröffentlichte Studie dänischer Forscher.

Er gilt geradezu als der Prototyp des tierischen Trickbetrügers und Schmarotzers: Der Kuckuck, der seine Eier in die Nester fremder Vogelarten legt und seine Jungen auf Kosten der Singvogelbrut aufziehen lässt. Weniger bekannt, aber nicht weniger spektakulär, sind die Tricks der Ameisenbläulinge, Maculinea, einer vom Aussterben bedrohten Schmetterlingsgruppe. Sie lassen ihre Larven von Ameisenkolonien „adoptieren“ und täuschen die sozialen Insekten so, dass diese die fremden Larven nicht nur bereitwillig mitfüttern, sondern dabei sogar ihren eigenen Nachwuchs vernachlässigen.

Die Region Jütland und die Insel Læsø gehören zu den letzten Refugien des besonders seltenen Lungenenzian-Ameisenbläulings. Wissenschaftler des Zentrums für soziale Evolution (CSE) der Universität Kopenhagen um David Nash und Jacobus Boomsma haben sich dieser Schmetterlinge und ihrem Brutparasitismus näher angenommen und dabei Überraschendes entdeckt:

Chemische Tarnkappe schützt Larven

Zum einen stellten sie fest, dass es eine ausgefeilte chemische Mimikry ist, die die Ameisen dazu bringt, sich nahezu ausschließlich um die fremde Brut zu kümmern. Die Schmetterlingslarven erzeugen einen Duftstoff, der dem der Ameisen täuschend ähnelt und die Arbeiterinnen zur Brutpflege animiert.

Die zweite Überraschung zeigte sich, als die Forscher mehrere Ameisenvölker der beiden hauptsächlich betroffenen Myrmica-Arten verglichen. Denn offenbar gab es durchaus Ameisenstämme, die nicht auf den falschen Duft hereinfielen. Wie war das zu erklären? Die Lösung fand sich schnell: Die Ameisen hatten in Anpassung an die ständige Parasitierung, ihrerseits ihren Duft verändert. Dadurch passte der Tarnduft der Schmetterlingslarven nicht mehr und der Schwindel flog auf.

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Duftwechsel als Abwehrmaßnahme

Doch diese Reaktion auf die Parasitierung war nur dann möglich, wenn die Königinnen der parasitierten Kolonie sich nicht mit Ameisen benachbarter, außerhalb des Einzugsgebiets der Schmetterlinge liegenden Kolonien paarten. Denn, das zeigten die Untersuchungen, dieser genetische Einfluss von unparasitierten Ameisen „verdünnt“ gleichsam die Fähigkeit zur Abwehrreaktion bei den betroffenen Stämmen. Eine effektive Weitergabe des „Duftwechseltricks“ scheint nur gesichert, wenn sich die Königinnen ausschließlich mit Männchen von ebenfalls befallenen Kolonien paaren.

Letztlich befinden sich damit Ameisen und Schmetterlinge in einem klassischen Wettrüsten: Je mehr Ameisen auf den Trick reagieren und den Duft wechseln, desto mehr wächst der Druck auf die Schmetterlinge, ebenfalls eine Möglichkeit der Duftveränderungen zu entwickeln. Diese klassische Koevolution zwischen Parasit und Wirt, die zuvor so nicht bekannt war, ist sogar eigentlich nur ein Zufallsfund. Denn eigentlich wollten die Wissenschaftler das Leben der Ameisenbläulinge vor allem deshalb studieren, um herauszufinden, wie sich diese bedrohte Art am besten erhalten und schützen lässt.

(University of Copenhagen, 07.01.2008 – NPO)

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