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Wo Geologie und Biologie sich die Hand geben

Geochemische Energie treibt Tiefsee-Oasen an

Wimmelndes Leben in der Tiefsee © MARUM_ Forschungszentrum Ozeanränder

In der Tiefsee herrscht reges Treiben, nicht überall, aber unter anderem überall dort, wo an heißen Quellen in Form energiereicher Stoffe chemische Energie aus dem Erdinneren sprudelt. Wie Batterien können Mikroorganismen chemische Energie für andere Prozesse nutzbar machen. Mit den geologischen Voraussetzungen, unter denen diese Energie in welcher Menge und in welcher Form umgesetzt wird, damit beschäftigten sich Wissenschaftler des MARUM an der Universität Bremen.

„Es gibt drei Arten, wie Organismen die zum Leben nötige Energie gewinnen können: Entweder sie nutzen das Sonnenlicht, sie verwerten die Energie aus organischer Materie oder sie beuten die Energie aus der Oxidation bestimmter anorganischer Energiestoffe aus“, erklärt Professor Wolfgang Bach, Leiter des Forschungsfeldes „Lithosphären- Biosphären Interaktion in ozeanischen Hydrothermalsystemen“. Das Sonnenlicht nutzen Photosynthese treibende Pflanzen. Die daraus oder von anderen Organismen aufgebaute organische Materie nutzen fast alle anderen Tiere, inklusive des Menschen.

Manche Mikroben, nämlich bestimmte Bakterien und Archaeen aber können unabhängig vom Sonnenlicht und von anderen Organismen ihre Energie gewinnen. Sie nutzen ähnlich einer Batterie die Energie, die bei bestimmten chemischen Reaktionen frei wird. Dies wird als Chemosynthese bezeichnet. Etwa seit 30 Jahren ist bekannt, dass es diese Möglichkeit gibt. Erst 1977 wurden nämlich die ersten „Schwarzen Raucher“ in der Tiefsee entdeckt, wimmelndes Leben an einer Stelle, wo es nach damaliger Theorie zu wenig Energie gab, um große Lebensgemeinschaften zu unterhalten.

Mikroben als Grundlage des Lebens

Aus dünnen Schloten strömt das heiße und mineralgeladene Wasser aus dem Meeresboden. Durch den Kontakt mit dem wesentlich kühlerem Meerwasser fallen die Sulfide und anderen Stoffe aus dem bis zu 400°C heißem Wasser aus und erzeugen den Eindruck von schwarzem Rauch. Die rötlichen Verfärbungen kommen durch verschiedene Metalle, die ebenfalls aus den Tiefen des Meeresbodens mit dem heißen Fluid an die Oberfläche befördert wurden. Man vermutet, dass viele unserer Rohstofflagerstätten so oder so ähnlich entstanden sind. © MARUM_ Forschungszentrum Ozeanränder

Grundlage des Lebens an den heißen Quellen der Tiefsee sind Mikroben, die verschiedene energiereiche Verbindungen wie Schwefelwasserstoff, Methan und Wasserstoff nutzen. Doch wie kommen sie an die chemische Energie heran? Grundsätzlich gilt: Energiereiche Stoffe haben ein hohes Reduktionspotential, d. h. sie geben relativ leicht Elektronen ab, wenn ein entsprechender Elektronenempfänger, ein so genanntes Oxidationsmittel vorhanden ist. Dabei kommt es immer auf den Unterschied zwischen den beiden Reaktionspartnern an – je größer das Gefälle im Reduktionspotential, umso mehr Energie wird bei der Übertragung der Elektronen von Reduktionsmittel auf Oxidationsmittel frei.

In Hydrothermalquellen verbreitet ist die chemosynthetische Verwertung von Schwefelwasserstoff als Reduktions- und Sauerstoff als Oxidationsmittel. Viele chemische Reaktionen – auch die hier angesprochene – laufen nicht spontan ab, sondern brauchen etwas, das sie anschiebt. Die Enzyme der chemosynthetischen Mikroben tun genau dies: Sie dienen als Katalysator für die Reaktion von Reduktions- und Oxidationsmittel. Ähnlich wie die Hitze der Flamme die Knallgasreaktion auslöst, bei der Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser reagieren.

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Futter und Symbiosepartner

Da es eine ganze Reihe von verschiedenen Reduktionsmitteln und Oxidationsmitteln gibt, ist die Vielfalt der chemischen Reaktionen sehr groß. Allen gemein ist jedoch, dass die Bakterien die bei der Elektronenübertragung freiwerdende Energie nutzen. Sie betreiben damit ihren eigenen Stoffwechsel, wachsen und vermehren sich. Und damit bilden sie ähnlich den Pflanzen in lichtdurchfluteten Ökosystemen die Basis des Nahrungsnetzes – als Futter, aber auch als Symbiosepartner, der direkt in seinem Wirt lebt. So können zum Beispiel die Bartwürmer an den heißen Quellen komplett ohne Verdauungssystem, Mund und Darm auskommen. Sie lagern chemosynthetisch tätige Bakterien in ihrem Gewebe ein. Die Würmer bieten ihnen Schutz und versorgen ihre Untermieter ständig mit energiestoffreichem Wasser. Im Gegenzug bekommen sie von den Bakterien organische Substanzen, von denen sie sich ernähren.

Unmengen von jungen Muscheln siedeln in unmittelbarer Umgebung um einen Austrittstelle. Vielleicht hat die Quelle gerade erst angefangen zu sprudeln und die Muscheln sind daher alle in einem Alter. Noch ist sehr wenig darüber bekannt, wie heiße Quellen besiedelt werden. © MARUM_ Forschungszentrum Ozeanränder

„Das Wasser, das an den Schwarzen Rauchern der Tiefsee aus dem Meeresboden quillt, hat lange Wege durch das Gestein zurückgelegt. Dabei heizte relativ nahe unter dem Meeresboden gelegenes Magma es auf zum Teil knapp über 400° C auf“, beschreibt Wolfgang Bach. Dieses heiße Wasser laugt viele Stoffe aus dem Gestein aus: Schwefelwasserstoff, Methan, Sulfide, aber auch Kalzium, verschiedene Buntmetalle und Eisen. „Das interessante ist, dass jede heiße Quelle anders ist. An manchen quillt mehr oder weniger reine Schwefelsäure mit einem pH-Wert von unter 1 aus dem Boden. Andere sind mit einem pH von über 12 so alkalisch, dass sie ätzende Wirkung haben.“, so der Geowissenschaftler Wolfgang Bach.

Mikroorganismen sind überall

Je nach der Zusammensetzung der Gesteine, durch die das aufgeheizte Wasser fließt, kommt eine andere Lösung aus dem Meeresboden. Und erstaunlicherweise gibt es auf dem ganzen Spektrum von chemischen Zusammensetzungen und pH-Werten immer irgendwelche Mikroorganismen, für die diese Lösungen Nahrung sind. „Die Bandbreite ist so groß, dass die Mikroorganismen ganz fundamentale biochemische Vorgänge zur Energiegewinnung nicht nur ändern, sondern sogar umdrehen müssen, um bei solch hohen pH-Werten zu überleben.“

„Nirgendwo sonst bestimmt die Geologie so direkt und unmittelbar das Leben. Chemische Zusammensetzung, Temperatur, pH-Wert, Stärke des Ausflusses all dies wird direkt durch geologische Prozesse gesteuert“, erklärt Wolfgang Bach. Denn, die heißen Quellen sitzen dort, wo die Erde sich bewegt, wo Platten sich auseinander, übereinander, untereinander schieben. Und diese Prozesse beeinflussen, was und wie viel aus den Quellen austritt. „Wir untersuchen, wie die Energie aus dem Gestein in Form von Schwefelwasserstoff, Methan und Wasserstoff und anderen Reduktionsmitteln an den Meeresboden gelangt. Wir berechnen, wie viel Energie in dem System vorhanden ist und welche chemischen Reaktionen die Organismen nutzen können – also welche Reduktions- und Oxidationsmittel beteiligt sind – um Energie zu gewinnen.

Weitere Forschung nötig

Diese Informationen sind wichtig, da das Treiben der Mikroben die Flussraten von Stoffen beeinflussen, die aus der Ozeankruste in den Ozean gelangen. Immerhin zwei Prozent des Ozeanwassers zirkulieren ständig unter dem Ozean, in den Gesteinen und Ablagerungen des Meeresbodens. Und sowohl Wärmeenergie als auch die Stoffe, die mit dem austretenden Wasser aus der Ozeankruste in den Ozean gelangen, haben großen Einfluss auf das Gesamtsystem.

„Die heißen Quellen der Tiefsee spielen eine große Rolle im Transport von Wärme aus dem Inneren der Erde zur Atmosphäre. Und Kalzium, das aus der Ozeankruste gelöst und im Meerwasser mit Karbonat reagiert beeinflusst über lange Zeitskalen den Kohlendioxidgehalt des Ozeans und damit der Atmosphäre“ erklärt Wolfgang Bach. „Dies sind nur zwei Prozesse von vielen, die wir besser erfassen wollen, um zu einem besseren Verständnis der geologischen Vorgänge im Zusammenhang mit heißen Quellen zu kommen.“

Link:

Spannende Informationen über kalte Quellen gibt es hier…

(Wolfgang Bach/Kirsten Achenbach, MARUM_Forschungszentrum Ozeanränder, Universität Bremen, 04.01.2008 – DLO)

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