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Medizin

Mangel an Tiefschlaf erhöht Diabetes-Risiko

Gestörter Schlaf verringert Insulinsensitivität und verändert die Glukosetoleranz

Wenn junge Erwachsene ständig zu wenig Schlaf – vor allem Tiefschlaf – bekommen, steigt ihr Risiko, später einmal an Diabetes des Typs 2 zu erkranken. Eine jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science” veröffentlichte Studie amerikanischer Forscher hat signifikante Veränderungen des Zuckerstoffwechsels bei Schlafmangel aufgedeckt.

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Der Tiefschlaf, auch in Bezug auf die dabei auftretenden typischen Hirnströme als „Langwellen-Schlaf“ bezeichnet, gilt landläufig als die erholsamste und daher wichtigste Schlafphase der Nacht. Doch seine konkrete Bedeutung für die physische Gesundheit war bisher noch nicht genau erforscht. Jetzt haben Forscher der Universität von Chicago zumindest einen Aspekt der Tiefschlafwirkung aufgeklärt.

Beschallung behindert Tiefschlaf

Die Wissenschaftler führten ihre Studie an neun gesunden, normalgewichtigen Freiwilligen, vier Frauen und fünf Männern zwischen 20 und 31 Jahren in einem Schlaflabor durch. Die Versuchspersonen verbrachten zunächst zwei aufeinander folgende Nächte ungestörten Schlafs, dann folgten drei Nächte, in denen zwar alle sonstigen Parameter gleich waren, aber die Schlafenden gezielt immer mit dem Einsetzen der Tiefschlafphase gestört wurden. Dazu beschallten die Forscher das Bett mit Tonsignalen, die zwar gerade laut genug waren um den Tiefschlaf abzubrechen, aber nicht ausreichten, um die Probanden aufzuwecken.

Als Folge wechselten die Schlafenden bei Störung in eine flachere Schlafphase, ihre Gesamtschlafzeit blieb jedoch gleich. Der Tiefschlafanteil während der Nacht sank so um rund 90 Prozent. Als die Probanden am nächsten Morgen gefragt wurden, ob sie in der Nacht etwas gehört hätten, erinnerten sie sich zwar vage an ein Geräusch, einige nannten drei oder vier pro Nacht, andere zehn bis 15. In Wirklichkeit jedoch mussten die Forscher das Störgeräusch zwischen 250 und 300 Mal pro Nacht einsetzen, um das Absinken in den Tiefschlaf zu verhindern. Besonders häufig wurde dies in der zweiten und dritten Nacht notwendig, da sich das Tiefschlafbedürfnis des Körpers dann allmählich akkumulierte.

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„Im Prinzip ähnelt diese Verringerung der Tiefschlafzeit den Mustern, wie sie auch beim Altern entstehen“, erklärt Esra Tasali, Studienleiter am Medizinischen Zentrum der Universität von Chicago. Junge Erwachsenen verbringen durchschnittlich 80 bis 100 Minuten pro Nacht im Langwellenschlaf, Menschen über 60 dagegen nur noch 20 Minuten. „In diesem Experiment haben wir Menschen in den 20ern den Schlaf von 60-Jährigen gegeben.“

Insulinempfindlichkeit gestört

Nach Abschluss der ungestörten wie der gestörten Studienphase erhielten die Freiwilligen intravenös eine Zuckerlösung. Die Wissenschaftler entnahmen anschließend alle paar Minuten Blut, um die Glukose und Insulinwerte zu messen. Es zeigte sich, dass bereits nach drei Nächten unterdrückten Tiefschlafs die Sensitivität des Körpers gegenüber Insulin um ein Viertel nachließ. Der Organismus der Tiefschlafmangel-Probanden benötigte mehr Insulin, um eine vergleichbar große Zuckermenge zu verarbeiten als der von normal ausgeschlafenen.

Bei acht von neun Probanden kompensierte der Körper diese „Abstumpfung“ jedoch nicht, indem er mehr Insulin ausschüttete. Die Folge war ein um 23 Prozent erhöhter Blutzuckerspiegel – wie er sonst für ältere Erwachsene mit gestörter Glukosetoleranz typisch ist. Am stärksten waren diese Effekte bei den Personen, deren Tiefschlafanteil auch bei ungestörtem Schlaf relativ niedrig lag.

„Diese Ergebnisse belegen eine klare Rolle für den Langwellenschlaf bei der Aufrechterhaltung der Glukosekontrolle im Blut“, erklärt Tasali. „Ein starker Rückgang des Tiefschlafs hatte einen direkten und deutlich negativen Effekt auf die Insulinsensitivität und die Glukosetoleranz.“

„Da eine Reduktion des Tiefschlafs typisch auch für das Altern und einige mit Übergewicht verbundene Schlafstörungen wie die Apnoe sind, deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Strategien zur Schlafverbesserung in Qualität und in Quantität helfen könnten, den Beginn einer Typ 2 Diabetes in Risikopopulationen zu verhindern oder zumindest zu verzögern“, ergänzt Eve Van Cauter, Professorin für Medizin an der Universität von Chicago und Mitarbeiterin der Studie.

(University of Chicago Medical Center, 04.01.2008 – NPO)

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