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Neurobiologie

Wie wir aus Fehlern lernen

Gen-Variante eines Rezeptors im Gehirn beeinflusst Reaktion auf Feedback

Wissenschaftler haben mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die neuronale Aktivität untersucht, die dem Fehlerlernen zugrunde liegt © Science/MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Eine kleine genetische Variation eines Rezeptors im Gehirn beeinflusst, wie und ob wir Menschen aus positiven oder negativen Rückmeldungen lernen. Das hat ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig herausgefunden. Dieser genetisch verursachte neurobiologische Mechanismus könnte die Entstehung von Sucht und selbstschädigendem Verhalten begünstigen, so die Wissenschaftler im Fachmagazin Science.

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Lerne aus Deinen Fehlern, ist ein Rat, den wir nur allzu oft zu hören bekommen. In der Regel fließen sowohl positive als auch negative Rückmeldungen in unser Handeln ein: Sie bestärken uns entweder in einem bestimmten Verhalten oder veranlassen uns, anderes, fehlerhaftes Verhalten zu vermeiden. Doch was sind die neurobiologischen Grundlagen dafür? Tatsächlich variiert die Fähigkeit, aus Erfolgen und auch aus Fehlern zu lernen, zwischen verschiedenen Individuen. Beeinflusst möglicherweise unsere genetische Ausstattung die Art und Weise, wie wir lernen?

Ein wichtiger Faktor scheint der Botenstoff Dopamin im Gehirn zu sein. Die Dichte der entsprechenden Dopamin-Rezeptoren, also Andockstellen für diesen Botenstoff, variiert je nachdem, welche genetische Variante des entsprechenden Rezeptorgens die Person besitzt. So führt die Variante A1 zu einer Reduktion der Rezeptordichte. Und das könnte möglicherweise auch zu einem Defizit in der Fähigkeit führen, aus Fehlern zu lernen.

Smilies als Feedback

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten Bonn und Gießen sowie vom Max-Planck-Institut für neurologische Forschung mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die neuronale Aktivität untersucht, die dem Fehlerlernen zugrunde liegt. Die Versuchspersonen mussten lernen, aus Symbolpaaren, die in einer zufälligen Reihenfolge präsentiert wurden, jene zu wählen, die häufiger mit positivem Feedback belohnt wurden.

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„Zu Beginn des Experiments war somit noch völlig offen, welche Symbolwahl mit positivem Feedback verknüpft war“, sagt Tilmann Alexander Klein vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Bei positivem Feedback zeigten die Wissenschaftler den Probanden einen lachenden Smilie, negatives Feedback wurde durch einen grimmig schauenden Smilie vermittelt.

Weniger Rezeptoren – weniger Effekt von negativen Rückmeldungen

In einem Transfertest kontrollierten die Wissenschaftler dann, ob die Versuchspersonen bevorzugt aus positiven oder negativen Rückmeldungen gelernt hatten. Hierbei stellte sich heraus, dass Träger der A1-Genvariante, die mit einer geringeren Dopamin-D2-Rezeptordichte verbunden ist, negative Rückmeldungen weniger zum Lernen nutzten als Versuchspersonen, deren Genotyp mit eine höheren Rezeptordichte einhergeht. Das Lernen aus positiven Rückmeldungen war bei beiden Versuchsgruppen nicht verändert.

„Dieses Verhalten wird durch die Befunde aus der funktionellen Magnetresonanztomografie gestützt“, erklärt Klein. „Die A1+ Gruppe zeigt eine geringere Reaktivität im posterioren medialen frontalen Kortex (pMFC), auf negative Rückmeldungen.“ Diese Gehirnregion ist maßgeblich an der Überwachung von Handlungsergebnissen beteiligt. Und erstmalig konnten die Forscher auch ein funktionelles Zusammenspiel zwischen diesem Hirnareal und dem Hippocampus nachweisen, der für das Lernen entscheidend ist. „Dieses Zusammenspiel ist bei Personen der A1+ Gruppe abgeschwächt“, so der Neurowissenschaftler.

Dopamin entscheidend für Lerneffekt

Darüber hinaus wurde das Entscheidungsverhalten der Versuchspersonen mittels eines Computermodells simuliert, das ermöglicht, die Bedingungen zu schätzen, unter welchen menschliche Entscheidungen zustande kommen. So bestimmten die Forscher beispielsweise einen Wert für die Antwortsicherheit der Versuchspersonen. Dieser Wert gab an, wie sicher sich die Versuchspersonen im Moment der Antwortabgabe waren. Versuchsteilnehmer mit einer reduzierten Dopamin-D2-Rezeptordichte waren – in Übereinstimmung mit den übrigen Befunden – bei der Antwortabgabe unsicherer als Probanden mit einer „normalen“ Rezeptordichte.

Der Neurotransmitter Dopamin spielt also offenbar eine entscheidende Rolle bei der Handlungsüberwachung und den damit verbundenen Lernvorgängen. „Die geringere Empfindlichkeit der Probanden mit reduzierter Dopamin-D2-Rezeptordichte gegenüber negativen Handlungskonsequenzen liefert erste Hinweise“, so Klein, „auf einen möglichen neurobiologischen Mechanismus, der die Entwicklung von Sucht und selbstschädigendem Verhalten begünstigen könnte.“

(MPG, 10.12.2007 – NPO)

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