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Medizin

Bodenmikroben liefern Krebs-Killer

Krebsmedikament auf Naturstoffbasis entwickelt

Reichenbach mit Bodenproben © HZI

Wissenschaftler haben eine Klasse von Naturstoffen entdeckt, die von Bodenbakterien produziert wird und Körperzellen an der Teilung hindert. Auf Krebszellen, die sich ja gerade durch hemmungslose Teilung auszeichnen, wirken die so genannten Epothilone besonders stark: Der Tumor kann schrumpfen und sogar verschwinden. Nach Jahren eingehender Forschung kommt dieser Wirkstoff nun als Krebsmedikament auf den Markt.

„Ich gratuliere den Infektionsforschern vom HZI zu diesem großen Erfolg. Epothilon könnte in Zukunft vielen Patienten helfen, den Krebs zu besiegen. Das Beispiel zeigt aber auch deutlich, wie wichtig es ist, mit langem Atem Grundlagenforschung zu fördern. Denn die Epothilone sind eine völlig neue Klasse von Wirkstoffen, die zunächst aus wissenschaftlichem Interesse und nicht gezielt unter dem Aspekt der Krebsbehandlung untersucht wurden“, sagt Professor Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft.

Blockadetaktik geht auf

Die Epothilone, die Professor Gerhard Höfle und Professor Hans Reichenbach vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig bereits seit mehr als 20 Jahren untersuchen, werden von Myxobakterien produziert, die im Boden leben. Sie wirken auf die so genannten Mikrotubuli in Körperzellen. Diese mikroskopisch kleinen Proteinröhrchen teilen die Chromosomen, die Träger der Erbinformation, während der Zellteilung auf die Tochterzellen auf.

Kommen Epothilone in die Zelle, blockieren sie die Mikrotubuli – die Zellen können sich nicht teilen, sterben ab und werden abgebaut. Da Krebszellen sich besonders häufig teilen, reagieren sie sehr empfindlich auf das Epothilon. Die Folge: Tumore werden im Wachstum gebremst, schrumpfen und verschwinden.

Am Anfang des Entwicklungsprozesses stand die Beobachtung des Mikrobiologen Klaus Gerth aus Reichenbachs Team, dass ein spezieller Stamm von Myxobakterien eine interessante Substanz produziert: Sie kann lebende Zellen abtöten. Norbert Bedorf aus Höfles Abteilung Naturstoffchemie stellte die Substanz erstmals in reiner Form her und klärte ihre chemische Struktur auf – Epothilon hatte die Bühne der Pharmaforschung betreten.

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Endlich marktreif

Dann folgten weitere Jahre intensiver Forschung: Neben der Optimierung der chemischen Struktur musste die Produktion des Epothilons verbessert werden. Dafür wurden die Myxobakterien genetisch verändert und ihre Lebensbedingen in Bioreaktoren so optimiert, dass sie das potenzielle Krebsmittel in ausreichender Menge herstellten. Dieser Produktionsprozess diente dem amerikanischen Pharma-Unternehmen Bristol-Myers Squibb (BMS) dann als Basis für die Herstellung des Medikaments. Danach entwickelte BMS eine halbsynthetische Variante des Epothilon B und führte die vorklinischen sowie dann die weltweiten klinischen Studien am Menschen durch, um die Zulassung zu beantragen.

Molekülmodell von Epothilon B, Oberfläche zum Teil aufgeschnitten © Schomburg, Bedorf

Mediziner in den USA können das Medikament ab sofort unter dem Handelsnamen Ixempra gegen Brustkrebs einsetzen, der bereits Metastasen gebildet hat und gegen andere Medikamente resistent ist. In Europa wird es voraussichtlich im kommenden Jahr zugelassen.

Deutschland Weltklasse bei biomedizinischer Forschung

„Epothilon beweist, dass die öffentliche biomedizinische Forschung in Deutschland Weltklasse hat und Lösungen für die drängenden Gesundheitsprobleme der Menschen erarbeiten kann“, freut sich Professor Rudi Balling, wissenschaftlicher Direktor des HZI über das Ergebnis: „Gerade in der Helmholtz-Gemeinschaft ist es uns gelungen, exzellente Grundlagenforschung mit der Perspektive auf die industrielle Anwendung zu verbinden.“ Dazu sei aber auch ein langer Atem erforderlich, wie die Erfolgsgeschichte des Epothilons zeige.

Genau diese Ausdauer gepaart mit wissenschaftlicher Kreativität war Höfles und Reichenbachs Schlüssel zum Erfolg: „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir und unser Team dazu beigetragen haben, diese neue Art der Krebstherapie zu entwickeln. Jetzt ernten wir die Früchte von 30 Jahren biologischer und chemischer Forschungsarbeit.“

(Helmholtz-Gemeinschaft / HZI, 21.11.2007 – DLO)

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