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Neurobiologie

Bitter ist nicht gleich bitter

Keine menschliche Bittergeschmackszelle gleicht der anderen

Lebensmittel wie Grapefruit, Chicoree oder Rosenkohl enthalten Bitterstoffe, deren Geschmack von einigen Menschen abgelehnt wird. © Deutsches Institut für Ernährungsforschung

Ein Forscherteam hat jetzt erstmals gezeigt, dass keine menschliche Bittergeschmackszelle der anderen gleicht. Jede ist mit einem anderen Satz von vier bis elf Bitterrezeptoren ausgestattet. Das heißt, jede Geschmackszelle kann nur einige Bitterstoffgruppen erkennen und nicht – wie lange angenommen – alle.

Damit liefern die Wissenschaftler um Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) zum ersten Mal auf molekularer Ebene Belege für ein umstrittenes Erklärungsmodell der Geschmackswahrnehmung.

Zwei gegensätzliche Modelle

Seit längerem diskutieren Wissenschaftler darüber, wie der Bittergeschmack wahrgenommen wird und ob der Mensch zwischen verschiedenen Bitterstoffen unterscheiden kann. Die bislang an Nagern gewonnenen Daten sind widersprüchlich und führten zu zwei Erklärungsmodellen.

Das erste Modell geht davon aus, dass keine Unterschiede beim Bittergeschmack wahrgenommen werden können. Denn molekularbiologische Untersuchungen an Tieren führten zu der Annahme, dass sich Bittergeschmackszellen hinsichtlich ihrer Rezeptorausstattung nicht oder nur wenig unterscheiden. Das würde bedeuten, dass jeder Bitterstoff jede Bittergeschmackszelle gleichermaßen stimulieren kann.

Das zweite Modell geht davon aus, dass verschiedene Bitterstoffe unterschiedlich wahrgenommen werden können. Es basiert auf den Ergebnissen physiologischer Untersuchungen. Diese zeigten, dass Bittergeschmackszellen unterschiedlich auf den Kontakt mit Bitterstoffen reagieren und dass diese Aktivitätsunterschiede ins Gehirn übertragen werden.

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Ist bitter lecker?

Die nun erstmals an menschlichen Zellen durchgeführten Experimente der DIfE-Forscher untermauern das zweite Erklärungsmodell. „Unsere Daten haben zwar derzeit keinen praktischen Nutzen, sie tragen aber wesentlich zum Verständnis der Mechanismen bei, die der Geschmackswahrnehmung zu Grunde liegen. Nur wenn wir diese Mechanismen kennen, lassen sich die Zusammenhänge zwischen Geschmacksempfinden, Ernährung und Gesundheit aufklären“, erklärt Maik Behrens, Erstautor der Studie in der Fachzeitschrift The Journal of Neuroscience.

In der Welt der Geschmacksforschung sind noch viele Fragen unbeantwortet. Bis heute weiß man beispielsweise nicht, warum einige Menschen den bitteren Geschmack von Chicoree oder Pampelmusen mögen, während andere ihn ablehnen.

Bitter = giftig?

Von allen fünf Grundgeschmacksqualitäten süß, umami, sauer, salzig und bitter ist der Bittergeschmack der vielschichtigste. Tausende von verschiedenen Bitterstoffen werden von einer hierzu vergleichsweise geringen Anzahl von 25 Bitterrezeptorproteinen wahrgenommen, die an den Spitzen der Bittergeschmackszellen sitzen. Allgemein gilt, dass die Bitterrezeptoren vor dem Verzehr giftiger Stoffe warnen. Man findet sie auf der Zunge, aber auch im Bereich des Gaumens, des Rachens und des Kehlkopfs.

Bereits 2005 und 2006 hatten Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Meyerhof gezeigt, dass die Wahrnehmung des Bittergeschmacks eine wichtige Rolle während der menschlichen Evolution spielte. Unabhängig vom Geschmackssystem finden sich einige Bitterrezeptoren auch im Atmungs- und Verdauungssystem. Welche Funktion sie hier erfüllen, ist nicht geklärt.

(idw – Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, 15.11.2007 – DLO)

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