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Neurobiologie

Mini-Scharnier beeinflusst Hirnfunktion

Feinmechanik von Glutamatrezeptoren im Gehirn aufgeklärt

Ein winziges Scharnier spielt eine Schlüsselrolle bei der Signalweiterlietung im Gehirn. Denn es beeinflusst die Funktion der Glutamatrezeptoren – Bindungstellen für einen wichtigen neuronalen Botenstoff. Bochumer Forscher haben nun erstmals die Feinmechanik dieses Rezeptors aufgekärt und berichten darüber in der Fachzeitschrift Journal of Neuroscience.

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An den Synapsen, den Übergangstellen zwischen zwei Nervenzellen, werden die Nervensignale von elektischen in chemische und i der EMPföngerzellen dann wieder zurück in elektische „Botschaften“ übersetzt. Eine Schlüsselrolle spielen hier bestimmte chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter. Einer von ihnen ist die Aminosäure Glutamat. Spezialisierte molekulare Schalter in der Oberfläche der Empfängerzelle, die so genannten Glutamatrezeptoren, registrieren die Anwesenheit von Glutamat und übersetzen dieses chemische wieder in ein elektrisches Signal.

Glutamatrezeptoren spielen eine so zentrale Rolle in unserem Gehirn, dass das genaue Verständnis ihrer Feinmechanik unabdingbar ist, wollen die Forscher verstehen, wie Nervenzellen sie nutzen, um Botschaften zu verschlüsseln. Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum unter Leitung von Professor Michael Hollmann haben nun die Feinmechanik von Glutamatrezeptoren untersucht.

Scharnier entscheidend

Glutamatrezeptoren bestehen aus einer Erkennungsstelle für Glutamat, in die der Botenstoff genau hineinpasst, und aus einem Kanal in der Zelloberfläche, der sich öffnen und schließen kann. Wie bei einer Mausefalle schnappt die Erkennungsstelle für Glutamat zu, sobald der Botenstoff bindet. Diese Bewegung löst dann die Öffnung des Kanals aus, wodurch außen angestaute positive Ladungsträger in die Zelle einströmen können und damit ein elektrisches Signal erzeugen.

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Dabei sind Glutamaterkennungsstelle und Kanal über einen ausgeklügelten, dreiteiligen Gelenkmechanismus miteinander verbunden. Über einen der drei Gelenkteile ist bekannt, dass kleinste Veränderungen bereits enorme Fehlfunktionen zur Folge haben. So ist bei einer krankhaften Mutation in Mäusen dieser Gelenkteil so verändert, dass der Kanal ständig geöffnet ist, egal ob Glutamat vorhanden ist oder nicht. Dies blockiert jede normale Signalweiterleitung und führt zum Absterben der Nervenzellen.

Auf das Zusammenspiel kommt es an

Die genaue Struktur des Gelenks und insbesondere das Zusammenspiel aller drei Teile sind weitgehend unbekannt. Zudem sind diese Gelenke in den vier verschiedenen Glutamatrezeptortypen, die es gibt, sehr verschieden aufgebaut. In der jetzt veröffentlichten Studie haben die Forscher die einzelnen Gelenkteile zwischen verschiedenen Glutamatrezeptoren ausgetauscht, um die Grundlagen ihrer Funktion und Vielseitigkeit besser zu verstehen.

Tatsächlich konnten sie feststellen, dass genau die beiden Gelenkteile, über die bisher am wenigsten bekannt ist, die Funktion der Rezeptoren entscheidend beeinflussen. Die Veränderung eines dieser Gelenkteile führt ähnlich wie bei der Mausmutation zu ständig geöffneten Kanälen, die Veränderung des anderen zum kompletten Verlust der Kanalfunktion. Kombiniert man beide Veränderungen, so erhält man interessanterweise wieder einen normal funktionierenden Rezeptor.

„Wir glauben, hier zwei Teile des Gelenks identifiziert zu haben, auf dessen Zusammenspiel es entscheidend ankommt. Sind sie zu schwergängig, kann sich der Kanal nicht mehr öffnen, sind sie zu leichtgängig, ist der Kanal ständig offen“, folgert Schmid.

Voraussetzung zur Entwicklung von Medikamenten

Die genaue Erforschung solcher feinmechanischer Prinzipien in Glutamatrezeptoren ist Vorraussetzung, will man krankhafte Veränderungen in der Signalweiterleitung verstehen und durch Medikamente gezielt eingreifen. Die drei Gelenkteile sind in dieser Hinsicht besonders interessant, weil sie sehr typisch für die vier verschiedenen Glutamatrezeptortypen sind, und somit die Entwicklung von Medikamenten ermöglichen könnten, die gezielt nur einen einzelnen Rezeptortyp ansprechen – eine wichtige Vorraussetzung, um Stoffe zu entwickeln, die keine negativen Nebenwirkungen haben.

(Ruhr-Universität Bochum, 09.11.2007 – NPO)

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