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Momentaufnahmen eines uralten Ökosystems

Die fossile Flora und Fauna von Rhynie

Längsschnitt durch eine Spinne aus dem Rhynie Chert © Hans Kerp / Uni Münster

Wie sahen die ersten Landpflanzen aus? Welche Strategien hatten sie entwickelt, um zu überleben? Antworten auf diese und viele andere Fragen zur Evolution liefert bis heute ein ungewöhnliches Gestein, das im Jahr 1912 in der Nähe von Rhynie, einem kleinen Dorf in Nordostschottland entdeckt wurde. Wissenschaftler haben darin rund 400 Millionen Jahre alte fossile Überreste von Pflanzen und Tieren gefunden, die einen spannenden Einblick geben in eine längst vergangene Welt.

Einer der Meilensteine in der Erd- und Lebensgeschichte unseres Planeten war die Besiedlung der Festländer. Lange Zeit blieben sie unbewohnt, bis endlich vor rund 465 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Silurs niedrige Pflanzen wie zum Beispiel Lebermoose diesen Lebensraum eroberten.

Die ältesten höheren Landpflanzen tauchten dann rund 40 Millionen Jahre später auf der Erde auf. Sie hatten gabelig verzweigte, unbeblätterte, nur wenige Zentimeter hohe Achsen, an deren Spitzen Sporenbehälter, so genannte Sporangien, saßen. Fossilien aus dieser Zeit sind ausschließlich in den Ablagerungen ehemaliger flacher Meere gefunden worden. Es handelt sich dabei um eingeschwemmtes Material vom nahe gelegenen Festland.

Viele der mittlerweile sehr detaillierten Kenntnisse über den Bau und die Ökologie der frühen Landpflanzen verdanken wir dem so genannten Rhynie Chert in Schottland. Dabei handelt es sich um ein kieseliges Gestein, das eine hervorragend erhaltene fossile Flora und Fauna enthält. Der Rhynie Chert wurde vor 396 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Unterdevons von kieselsäurereichen Heißwasserquellen abgelagert, ähnlich wie man sie heute im Yellowstone National Park (USA) findet.

Konserviert bis ins Detail

„Der Verkieselungsprozess muss sehr rasch abgelaufen sein, da selbst filigranste Strukturen, einschließlich sehr kurzlebiger Entwicklungsstadien von Organismen überdauert haben.“, erläutert Professor Hans Kerp von der Forschungsstelle für Paläobotanik am Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Münster, der seit Jahren im Chert eigene Forschungsprojekte durchführt.

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Keimende Spore einer frühen Landpflanze aus dem Rhynie Chert © Hans Kerp / Universität Münster

Seit der Entdeckung der Fossillagerstätte vor knapp 100 Jahren sind dort über 50 verschiedene Arten von Pflanzen und Tieren entdeckt und beschrieben worden – und es kommen immer noch neue hinzu. Die Flora besteht aus Cyanobakterien, Bakterien, Pilzen, Algen, Flechten und Gefäßpflanzen. Obwohl die Gefäßpflanzen bereits 20 bis 40 Zentimeter groß werden konnten, besaßen die meisten von ihnen noch keine echten Blätter. Nur eine Art hatte bereits kleine nadelförmige Blättchen ausgebildet.

„Das Besondere der Rhynie Chert-Pflanzen ist, dass von mehreren Arten der komplette Lebenszyklus rekonstruiert werden kann, was wichtig für deren systematische Zuordnung ist. Selbst die feinsten Details sind oft noch im Chert erhalten geblieben, wie zum Beispiel keimende Sporen.“, beschreibt Kerp die Bedeutung der Funde.

Neben zahlreichen Mikroorganismen und sechs Arten höherer Landpflanzen sind auch viele verschiedene Tiere im Rhynie Chert zu finden, darunter Krebse, Milben, Spinnen, Weberknechte und sogar Tiere ohne Hartteile, wie Fadenwürmer. „Verschiedene der aus dem Rhynie Chert beschriebenen Lebensformen sind die ältesten Vertreter ihrer Gruppe“, so der Paläobotaniker.

Ein terrestrisches Ökosystem der Vorzeit

Das Leitbündel einer frühen Landpflanze aus dem Rhynie Chert © Hans Kerp / Universität Münster

Viele der Pflanzen und Tiere sind zudem in Lebendstellung erhalten geblieben. Die Wissenschaftler können deshalb auch die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Organismen untersuchen. Dabei haben sie unter anderem die ältesten Beispiele für die heute sehr weit verbreiteten Symbiosen zwischen Pflanzen und Pilzen entdeckt. Den Forschern ist es aber auch gelungen, Nahrungsnetze tierischer Organismen präzise zu rekonstruieren.

„Der Rhynie Chert liefert eine Reihe von einmaligen, sehr detaillierten Momentaufnahmen eines frühen festländischen Ökosystems. Es ist das am besten und am vollständigsten überlieferte terrestrische Ökosystem der Vorzeit.“, fasst Kerp den aktuellen Wissensstand zu einer der bedeutendsten Fossillagerstätten der Welt zusammen.

Links

Weitere Informationen zum Thema Rhynie Chert:

www.uni-muenster.de/GeoPalaeontologie/ Palaeo/Palbot/erhynie.html

www.abdn.ac.uk/rhynie/

www.xs4all.nl/~steurh/engrhyn/erhynie.html

(Hans Kerp / Forschungsstelle für Paläobotanik am Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Münster, 09.11.2007 – DLO)

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