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Botanik

Wie sich Giftpflanzen vor ihren eigenen Waffen schützen

Entschärfen und recyceln auf einen Schlag

Junge Hirsepflanzen enthalten auch Gift © USDA

Pflanzen sind bekanntermaßen im Boden festgewachsen – sie können sich daher einem Fraßfeind nicht durch Flucht entziehen. Trotzdem sind sie nicht wehrlos, sondern setzen ihren Feinden ein ganzes Arsenal von teils hochgiftigen Substanzen entgegen. Aber wie schützt sich die Pflanze selbst vor diesen Giften? Das haben jetzt deutsche und dänische Wissenschaftler genauer untersucht.

Pflanzenphysiologen um Markus Piotrowski von der Ruhr-Universität Bochum und Professor Birger L. Møller von der „Royal Veterany and Agricultural University“ (KVL) in Kopenhagen fanden heraus, dass giftige cyanogene Glykoside von der Pflanze abgebaut werden können, ohne dass dabei giftige Produkte entstehen. Der in diesen Stoffen gespeicherte und für die Pflanzen wichtige Stickstoff wird dabei in Form von Ammonium wieder zurück gewonnen. Die Hauptrolle bei diesem Prozess spielt das Enzym Nitrilase. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.

Erst bei Verletzung giftig

Viele Giftstoffe der Pflanzen werden als ungiftige Vorstufen gelagert, und erst wenn die Pflanze verletzt wird, wird auch der Giftstoff freigesetzt. Das gilt auch für die cyanogenen Glykoside, die als Zuckerverbindungen in separaten Kammern innerhalb der Pflanzenzellen (Vakuolen) gelagert werden. Bei einer Verletzung der Zelle wird der Zucker abgespalten und es entstehen unstabile Hydroxynitrile, aus denen das starke Atmungsgift Blausäure freigesetzt wird – 50 bis 200 mg davon sind für einen Menschen tödlich.

Solche cyanogenen Glykoside findet man in großen Mengen zum Beispiel in Bittermandeln, im Maniok, der vor allem in Afrika als Nahrungsmittel dient, und in jungen Hirsepflanzen. Durch unzureichende Zubereitung von Maniok kommt es in Afrika jährlich zu vielen akuten und chronischen Blausäurevergiftungen.

Nur zu zweit funktionstüchtig

Höheren Pflanzen produzieren ständig geringe Mengen Blausäure als Abfallprodukt ihres eigenen Stoffwechsels. Die Blausäure wird von der Pflanze zuerst an die Aminosäure Cystein gekoppelt, wobei die Aminosäure Beta-Cyanoalanin entsteht. Diese ist immer noch giftig und wird erst durch das Enzym Nitrilase in die von der Pflanze verwertbaren Aminosäuren Asparagin und Asparaginsäure umgesetzt.

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„Dieser Prozess war bekannt“, schildert Markus Piotrowski, „Wir stießen aber auf Probleme, als wir die Nitrilasen von Gräsern untersuchten. Die Nitrilasen von Gerste, Reis, Mais und Hirse waren in unseren Tests inaktiv. Wir wussten aber, dass diese Pflanzen auch Cyanoalanin umsetzen können.“ Die Lösung des Rätsels: Alle diese Gräser besitzen zwei Nitrilasen. Diese beiden müssen einen Heterokomplex bilden, also miteinander interagieren, um aktiv zu werden. „Dieses Phänomen hatte vor uns noch nie jemand beschrieben“, berichtet Markus Piotrowski.

Dritte Nitrilase: Neuer Recyclingweg

Und die Forscher machten noch eine spannende Entdeckung: In der Hirse fanden sie eine dritte Nitrilase. Wenn diese im Heterokomplex vorliegt, kann sie auch andere Stoffe umsetzen, insbesondere 4-Hydroxyphenylacetonitril. Piotrowski erklärt: „Junge Hirse- Pflanzen enthalten in hohen Mengen das cyanogene Glykosid Dhurrin.Wird die Pflanze von einem Insekt angefressen, wird daraus Blausäure freigesetzt. Wenn die Pflanzen aber älter werden, bauen sie das Dhurrin selber ab – und zwar nicht auf die gleiche Weise wie bei einer Verwundung.“

Die Entdeckung, dass die Nitrilasen der Hirse auch 4-Hydroxyphenylacetonitril umsetzen können, welches ein mögliches Abbauprodukt des Dhurrins ist, eröffnete auch einen anderen Weg, bei dem gar keine Blausäure mehr freigesetzt wird. In Kopenhagen gelang dann auch der Nachweis, dass Dhurrin tatsächlich zu 4-Hydroxyphenylacetonitril umgesetzt werden kann. „Offensichtlich brauchen die älteren Hirsepflanzen das Dhurrin nicht mehr so notwendig, um sich gegen Fraßfeinde zu schützen“, so Piotrowski. „Im Dhurrin steckt aber wertvoller Stickstoff, den die Pflanze für ihren Stoffwechsel braucht.“

Durch den neu entdeckten Abbauweg kann dieser Stickstoff als Ammonium zurück gewonnen werden, ohne dass vorher Blausäure freigesetzt werden muss. Als nächstes wollen die Bochumer und Kopenhagener Pflanzenwissenschaftler das Enzym identifizieren, welches den endogenen Abbau des cyanogenen Glykosids einleitet. Mit dieser Kenntnis könnte der Auf- und Abbau dieser pflanzlichen Giftstoffe gesteuert werden.

(Ruhr-Universität Bochum, 06.11.2007 – NPO)

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