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Versteinerte Wälder erzählen Erdgeschichte

Chemnitz als El Dorado für Paläobotaniker

Versteinerter Koniferenast im Vulkangestein © J. Gerhardt

Egal ob in Arizona, Kalifornien, im Yellowstone-Nationalpark, in Namibia oder auf der griechischen Insel Lesbos: In vielen Regionen weltweit entdeckten Wissenschaftler uralte Überreste früherer Wälder. Einer der berühmtesten dieser versteinerten Wälder liegt Untertage – im „Keller“ der Stadt Chemnitz. Dort lagern die sehr gut erhaltenen, knapp 300 Millionen Jahre alten fossilen Baum- und Pflanzenreste. Sie erzählen Geschichten über tropisches Klima mitten in Deutschland.

Versteinerte Wälder haben sicher eingebettet in vulkanische und Sediment-Ablagerungen die Jahrmillionen der Erdgeschichte überdauert. Entstanden sind viele von ihnen im Erdzeitalter des Perms. Wie nie zuvor gab es damals zwischen 299 und 251 Millionen Jahren vor heute umwälzende geo- und biologische Veränderungen auf der Erde. So formte sich der Superkontinent Pangaea im Zuge der Kollision von Nord- und Süderde. Diese Kollision war mit intensivem Vulkanismus verbunden, welcher das Antlitz der Erde neu gestaltete. Dicht besiedelte Flussebenen, Seen und Moore existierten damals nahezu zeitgleich neben schlammigen Trockenrissflächen, Dünen und Salzseen. Vulkanausbrüche zerstörten Lebensräume, förderten aber auch neue Entwicklungen und überlieferten einzigartige Momentaufnahmen der Evolution.

Ein Kaleidoskop an Lebensräumen

Versteinerter Wald im Atrium des TIETZ in Chemnitz © J. Stekovics

„Im Perm finden wir ein Kaleidoskop sehr gegensätzlicher Lebensräume, die eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt beherbergten und die Spuren hoch entwickelter Nahrungsnetze erkennen lassen. Die Wälder des Perms zeigen anpassungsfähige Pflanzengesellschaften, in denen zunehmend neue Pflanzengruppen auftraten.“, erläutert Ronny Rößler vom Museum für Naturkunde Chemnitz. Generell nahm die Zahl der an Trockenheit angepassten Pflanzen im Laufe des Perms deutlich zu.

Die von ihnen dominierten Hinterlandgebiete standen wenigen, eher kleinräumigen Feuchtoasen gegenüber, die noch jene altertümlichen Formen der Farne und Schachtelhalmgewächse beherbergten. Erste Ginkgo- und Cycas-Gewächse traten auf; die Nacktsamer schienen eine sprunghafte Entwicklung zu nehmen. Eigenartige, krautige Koniferen unterstreichen die Vielfalt der Nadelgehölze und suggerieren die Existenz weiterer, bislang kaum bekannter Pflanzen.

Doch bereits unter den archaischen Farnpflanzen sind Wissenschaftler auf das heute von hoch entwickelten Samenpflanzen gewohnte, breite Spektrum an Lebensformen gestoßen – ein aussagekräftiges Kriterium zur Beurteilung des Erfolges einer Pflanzengruppe. „Unter den Farnen finden wir Bäume, krautige Bodendecker, aber auch Kletterer und Aufsitzerformen, die Baumfarne sind häufig Hort für die kleineren Farne“, so Rößler.

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Ein Vulkanausbruch war schuld…

Querschnitt eines partiell verkieselten Psaronius-Baumfarnes (Paläo-Smily) © R. Rößler

Eine herausragende Fossillagerstätte aus der Zeit des Perms ist der versteinerte Wald von Chemnitz. Eingebettet sind die fossilen Bäume im Untergrund der Stadt – einem grobkörnigen vulkanischen Gestein, dem so genannten Zeisigwald-Tuff. Dieser ist auf einen verheerenden Glutwolkenausbruch zurückzuführen. Wissenschaftlern ist es mittlerweile gelungen, ihn radiometrisch auf rund 298 Millionen Jahre vor heute zu datieren – plus/minus 4,9 Millionen Jahre.

„Die Pflanzen wurden unmittelbar an ihrem Wuchsort eingebettet. Dies ermöglicht detaillierte Studien der Pflanzen selbst, aber auch ihrer Konservierung. Gegenwärtig laufende Forschungen führen zur Verbesserung populärer Pflanzen- und Floren-Rekonstruktionen.“, beschreibt Rößler die Arbeit der Wissenschaftler vor Ort. „Wir wissen aber auch schon eine Menge über die vielseitigen Pflanze-Pflanze- und Pflanze-Tier-Beziehungen in dem heute steinernen, farndominierten Feuchtwald.“

So zeigen die Stämme beispielsweise eine Einregelung in Ost-West, das heißt, ihre Spitzen weisen in jene Richtung, die die Eruptionsdruckwelle beim Ausbruch des Zeisigwald-Vulkans nahm. Dabei wurden die Bäume wie ein Streichholz abgeknickt, entlaubt, entästet, teilweise entrindet und schließlich unter der Last des herabregnenden vulkanischen Staubes begraben. Das Eindringen von Kieselsäure konservierte danach die Zellstruktur bis in mikroskopische Details und sorgte für die Versteinerung der Pflanzen. „Das heute weltbekannte Wort „Fossil“ (lat. Fossilis – das aus dem Boden Gegrabene) stammt übrigens auch von hier – es wurde vom Chemnitzer Bürgermeister Georgius Agricola geprägt und erstmals 1546 veröffentlicht.“, so Rößler. Auf diese Weise wurde Chemnitz zu einem der bedeutendsten Fundorte dreidimensional erhaltener permischer Pflanzenfossilien auf der Erde.

Forschung geht weiter

Schon seit dem Beginn der Paläobotanik Anfang des 19. Jahrhunderts haben Forscher dieses einzigartige Material ausgegraben und präpariert. „Nur hier wurden die Funde aber auch sogleich wissenschaftlich untersucht, in der Stadt öffentlich ausgestellt und allgemeinverständlich erklärt – nun seit über 150 Jahren.“, so der Paläobotaniker stolz.

Trotzdem sind noch längst nicht alle Geheimnisse um den versteinerten Wald von Chemnitz gelüftet. Viele Untersuchungen stehen sogar erst am Anfang und Forscher rechnen deshalb vielleicht schon bald mit weiteren spannenden Erkenntnissen über die Lebenswelt des Perms. „Dabei wird sicher das vom Museum für Naturkunde Chemnitz geplante neue Grabungsfeld helfen, durch das die Chemnitzer und ihre Gäste ab dem Jahr 2008 einen einzigartigen Blick in die Erdgeschichte erhalten.“, wirft Rößler einen Blick in die Zukunft.

(Ronny Rößler / Museum für Naturkunde Chemnitz, 02.11.2007 – DLO)

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