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Medizin

Europaweites Aktionsprogramm gegen Depression gestartet

Hohe Selbstmordraten zeigen Defizite in der Behandlung und Diagnose

In Deutschland sind fünf Prozent der Bevölkerung akut an einer Depression erkrankt, in Europa geht man von ähnlichen Zahlen aus. Obwohl es wirksame Behandlungsmethoden gibt, ist die Versorgung der Betroffenen häufig nicht optimal. Erschwerend kommt zu ihrer Situation hinzu, dass die Depression in der breiten Öffentlichkeit oft nicht als ernsthafte Erkrankung wahrgenommen wird. Um die Versorgung depressiv erkrankter Menschen zu verbessern, startet die „European Alliance Against Depression“ in 15 europäischen Ländern Aktionsprogramme.

Vier Millionen Deutsche sind in diesem Moment an einer behandlungsbedürftigen Depression erkrankt. Etwa 10 – 15 Prozent derjenigen unter ihnen, die an einer schweren Form der Depression leiden, nehmen sich irgendwann das Leben. Mehr als 90 Prozent aller Suizide werden im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen begangen, die allermeisten davon auf Grund einer Depression. In der Europäischen Union nehmen sich jedes Jahr mehr als 45.000 Menschen das Leben. Je nach Land rangieren die Suizidraten von 7 pro 100.000 Einwohnern in Großbritannien bis hin zu 36 pro 100.000 in Estland (WHO-Daten 1995/ 1996).

Unterschätzte Krankheit

Eine Studie zeigte, dass vierzig Prozent derer, die sich das Leben nahmen, innerhalb der letzten vier Wochen vor ihrem Tod einen Arzt aufgesucht hatten. Obwohl mit Medikamenten wie Antidepressiva oder psychotherapeutischen Maßnahmen wirksame Therapien zur Verfügung stehen, erhält nur eine Minderheit der Betroffenen eine optimale Behandlung. Die Gründe hierfür liegen in mangelndem Fachwissen und einem Unterschätzen der Erkrankung durch Hausärzte, in der Wahrnehmung in der öffentlichen Meinung, in der Depression häufig nicht als ernsthafte Erkrankung gesehen wird, aber auch in der krankheitsbedingten Hoffnungs- und Antriebslosigkeit der Betroffenen selbst.

Intervention auf breiter Ebene

2001/ 2002 wurde in Nürnberg erstmals ein Interventions-Programm auf vier Ebenen durchgeführt, um die Versorgung depressiver Menschen zu verbessern und die Suizidalität zu verringern. Neben Hausärzten und Betroffenen wurden Multiplikatoren wie Geistliche, Lehrer, Polizeibeamte oder Journalisten und als breiteste Ebene die gesamte Öffentlichkeit angesprochen.

Auf den Erfahrungen dieses erfolgreichen Bündnisses soll jetzt das Interventionsprogramm „European Alliance Against Depression“ (EAAD) aufbauen. Erweitert um Kenntnisse aus anderen europäischen Ländern, wird es europaweit zum Tragen kommen: Regionen aus 15 europäischen Ländern von Ungarn bis Portugal und Island bis Italien sind zum Start mit an Bord. Hinter den Partnern in den Ländern stehen, ebenso wie in den verschiedenen deutschen Regionen, ganz unterschiedliche Institutionen: Universitätskliniken, Krankenhäuser, Versorgungseinrichtungen aus der Primärversorgung oder spezielle mit öffentlichen Mitteln unterstützte regionale Kampagnen.

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Je nach der aktuellen Situation vor Ort werden unterschiedliche Maßnahmen umgesetzt: Für Hausärzte wird es interaktive Schulungen sowie eine Hotline geben, bei der sie individuelle Fälle aus der Praxis mit einem Spezialisten besprechen können. Außerdem erhalten Hausärzte Videokassetten zur Weitergabe an Patienten. Betroffene, vor allem besonders gefährdete Patienten wie solche, die einen Suizidversuch hinter sich haben, werden gezielt über Hilfsangebote in Krisensituationen informiert: Sie erhalten eine Notfallkarte mit Telefonnummern von Ansprechpartnern, die rund um die Uhr erreichbar sind.

Darüber hinaus werden bestehende oder neu zu gründende Selbsthilfegruppen unterstützt. Menschen, die berufsbedingt mit depressiven Patienten zu tun haben, wirken als Multiplikatoren. Einzelne Gruppen wie Geistliche, Altenpflegekräfte, Polizeibeamte oder Journalisten werden in individuell zugeschnittenen, interaktiven Fortbildungsveranstaltungen sensibilisiert und informiert. Ziel der European Alliance Against Depression ist auch, durch Aufklärung die Kenntnisse über die Erkrankung Depression und dadurch die Einstellung zur Erkrankung zu verbessern.

(Kompetenznetz „Depression Suizidalität“, 26.04.2004 – NPO)

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