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Wo ist der tiefste Punkt Deutschlands?

International Hydrography Summer Camp 2007 der HCU liefert neue Erkenntnisse

Darstellung der Tiefenmessungen im südlichen Teil des Sees © Axel Wrang / HCU

Wo befindet sich der tiefste Punkt Deutschlands? Diese Frage stellten sich 15 Studenten aus Spanien, Österreich und Deutschland und haben dieses Rätsel während des ersten International Hydrography Summer Camps gelöst – zumindest für den Bereich des Festlandes. Ergebnis: Es handelt sich dabei um den Hemmelsdorfer See in der Nähe von Lübeck. Unter Wasser entdeckten die Jungforscher in der Zeit vom 27. August bis zum 06. September 2007 zudem ungewöhnliche Strukturen, die beispielsweise für Archäologen interessant sein könnten.

Viele vermuten den tiefsten Punkt Deutschlands auf dem Land, vergessen dabei aber, dass der größte Teil der Erde aus Wasser besteht und, dass es auch unter Wasser einen Seeboden gibt. Der Hemmelsdorfer See in Schleswig-Holstein beispielsweise war ehemals eine Förde der Ostsee und liegt in etwa auf der Höhe des mittleren Wasserspiegels, der dem Normalhöhennull (NHN) entspricht. Der Zugang zur Ostsee ist verlandet, nur noch das Flüsschen Aalbek dient als Abfluss.

Ein See mit Vergangenheit

„Der See birgt einige Geheimnisse“, erläutert Professor Volker Böder vom Department Geomatik der HafenCity Universität Hamburg (HCU), die das Summer Camp ausgerichtet hat: „Napoleon wollte einen Kriegshafen in der geschützten Bucht bauen lassen, im Dritten Reich dagegen war zunächst ein U-Boothafen geplant. Während des zweiten Weltkriegs entwickelte sich der Hemmelsdorfer See dann aber zu einem Landeplatz für Wasserflugzeuge.“ Spannend ist auch eine Theorie des Rechtsanwaltes Jürgen Happ, der Reric, eine Vorläufersiedlung der alten Wikingerstadt Haithabu am See vermutet.

Klar ist dagegen seit langem, dass der größere, nördliche Teil des Hemmelsdorfer Sees ziemlich flach ist. Erheblich größere Wassertiefen werden stattdessen aus dem südlichen Abschnitt des Gewässers gemeldet. „Es gibt tiefere Seen in Deutschland, diese liegen jedoch deutlich über NHN, so dass ihr Seeboden höher liegt als der des Hemmelsdorfer Sees“, erklärt Böder die Ausgangslage für das Forschungsprojekt.

Neueste Technik im Einsatz

HCU-Vermessungsboot Level-A © Prof. Peter Andree / HCU

Doch wie tief ist der Hemmelsdorfer See genau? Dies untersuchten die 15 Jungwissenschaftler des International Hydrography Summer Camps an Bord des HCU-Schiffes Level-A. Dabei wurden modernste Instrumente eingesetzt: Mit einem Mehrstrahl-Echolot (Multibeam) vermaßen die Studenten beispielsweise den Seeboden. Das Sidescansonar lieferte dagegen eine bildhafte Darstellung des Untergrundes. Mit dem so genannten Subbottom-Profiler versuchten die angehenden Wissenschaftler Sedimente und Gegenstände im Seeboden zu bestimmen. Und ein Magnetometer lieferte Informationen über Störungen im Erdmagnetfeld, die auf Metalle im Wasser zurückzuführen sind. Die Messungen wurden vor Ort vom HCU-Mitarbeiter Axel Wrang und von dem Northern Institute of Advanced Hydrographics (NIAH), hier besonders Arne Sauer und Innomar-Mitarbeiter Jens Lowag unterstützt. Archäologen des Landes Schleswig-Holstein haben die Daten gesichtet.

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Steile Flanken und rätselhafte Strukturen

Anschließend werteten die Studenten die Daten an Rechnern im Badehaus des Seepfadfinderstamms Dwarslöper in Offendorf aus. Dabei stellten sie fest, dass der tiefste Punkt im See an der Oberkante der Sedimente eine Tiefe von 39,60 Metern unter Normalhöhennull hat. Der südliche Teil des Sees ist zudem von steilen Flanken bestimmt und auf dem Seeboden sind kleine Mulden mit wenigen Metern Durchmesser zu erkennen.

Aufnahme des Sidescans Innomar SES2000 FAN © Axel Wrang / HCU

„Die Sidescan-Messungen zeigten in einem Bereich mit geringer Wassertiefe rätselhafte Strukturen mit mehreren Metern Durchmesser, die an anthropogene Steinansammlungen erinnern. Derartige Strukturen unter Wasser können Erkenntnisse über die Höhe des Wasserstandes in unterschiedlichen geschichtlichen Epochen liefern“, nennt Böder weitere Ergebnisse des internationales Studententeams und deutet damit zugleich weiteren Forschungsbedarf an. An verschiedenen Stellen seien zudem Ausschläge des Magnetometers erkennbar, die aber ebenfalls noch näher analysiert werden müssen.

Aber ist der Hemmelsdorfer See mit seinen 39,60 Metern unter Normalhöhennull nun der tiefste Punkt Deutschlands? Leider nein. „In der Nordsee gibt es laut Messungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg eine Zone mit Tiefen von 70 Metern. Diese liegt mehrere hundert Kilometer nordwestlich von Helgoland im so genannten ‚Entenschnabel’“, konstatiert Böder. Somit ist der Hemmelsdorfer See zwar nicht der tiefste Punkt Deutschlands, aber immerhin der tiefste des Festlands – vermutlich. Denn so mancher See in Deutschland hat seine Geheimnisse noch längst nicht preisgegeben.

Einzigartiger Master-Studiengang Hydrographie

Die HCU ist die einzige Hochschule im deutschsprachigen Raum, an der ein Master-Studiengang Hydrographie angeboten wird. Das Problem: eine sinnvolle Ausbildung ist immer mit erhöhtem Instrumenteneinsatz inklusive Schiffskapazitäten verbunden. Dies kann in Deutschland nur die HCU in Hamburg mit dem auf international auf höchstem Niveau zertifizierten (FIG/IHO/ICA-Category-A (academic)) Studiengang bieten. Erfolgreiche Hochschul-Abgänger sind begehrt: international gibt es einen Bedarf von mehreren hundert Hydrographen.

Das Summer Camp der HCU bietet allen Interessierten die Möglichkeit zur Teilnahme an einem etwa zweiwöchigen Kurs. Mitmachen können Studenten der Geomatik (Vermessungswesen) und vergleichbarer Studiengänge wie beispielsweise Bauingenieurwesen.

Informationen zum Studiengang sind unter www.hcu-hamburg.de/geomatik zu finden.

(Volker Böder / HafenCity Universität Hamburg / Department Geomatik, 26.10.2007 – DLO)

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