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Materialforschung

Gel-Block als Chamäleon

Neues Material reagiert auf Umweltreize mit drastischen Farbveränderungen

Das Gel ändert seine Farbe bei Zugabe von Ammoniumchlorid. © Youngjong Kang

Ein Gel, das wie ein Chamäleon seine Farbe ändern kann, haben nun amerikanische Forscher entwickelt. Das Besondere an dem neuen Material: Seine Farbe lässt sich gezielt durch Umweltfaktoren wie Temperatur, Salzgehalt, Feuchtigkeit oder Druck beeinflussen. Damit könnte die jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Materials“ vorgestellte Substanz beispielsweise als schneller und billiger chemischer Sensor eingesetzt werden.

Objekte, die beispielsweise je nach Lichteinfall oder Blickwinkel ihre Farbe ändern, sind nichts Neues. Doch einmal hergestellt, bleiben die Farbvariationen dieser Objekte immer gleich. Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) wollten jedoch ein Material entwickeln, das seine Farbe in Abhängigkeit von äußeren Reizen verändert. „Wir wollten etwas herstellen, das einstellbar ist”, erklärt Edwin Thomas, Professor für Materialforschung und Leiter der Studie.

Um dies zu erreichen, begannen die Forscher zunächst mit einem dünnen Gel-Film aus wechselnden Schichten zweier Materialien, Polystyren und Poly-2-Vinyl-Pyridin (2VP). Die jeweilige Dicke dieser Schichten und ihre Brechungsindices bestimmen, in welcher Farbe das resultierende Gel erscheint. Die Dicke der härteren Polystyrenschicht bleibt immer konstant, die weiche Poly-2-Vinyl-Pyridin-Schicht jedoch reagiert auf externe Faktoren innerhalb von Sekundenbruchteilen mit einer Veränderung ihrer Konformation.

Schwellschicht macht Gel zum Chamäleon

Der Schlüssel zur Veränderbarkeit sind die Stickstoffatome der 2VP-Schicht, die eine positive Ladung tragen. Dadurch entsteht eine Polyelektrolytkette, die in Wasser um das Tausendfache ihres Volumens anschwellen kann. Werden die Ladungen entlang der Hauptachse dieser Kette voneinander isoliert, beispielsweise indem dem Wasser eine hohe Konzentration an Salzionen zugefügt wird, dann zerfallen die 2VP-Ketten in ungeordnete Knäuel. Werden die Salzionen wieder ausgewaschen, kann sich die Kette wieder ordnen und die Schicht beginnt erneut anzuschwellen.

Je nach Schwellungszustand der 2VP-Schicht reflektiert der gesamte Gelblock das Licht unterschiedlich. Wie die Forscher herausfanden, kann sich die die reflektierte Wellenlänge um 575 Prozent verändern – ein absoluter Rekord gegenüber bisherigen Farbwechsel-Substanzen, die meist aus geladenen Molekülen in einer 3D-Gitterstruktur bestanden. Die Effektivität des Farbwechsels führen die Wissenschaftler darauf zurück, dass sich das 2VP-Gel nur ein eine Richtung ausdehnt und damit die Lichtbrechung gezielter und effektiver verändert wird.

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Farbwechsel über gesamtes Lichtspektrum

Doch das neue Gel reagiert nicht nur gegenüber Salzionen, auch Druck, Temperatur und Feuchtigkeit lösen Farbveränderungen aus. „Man kann mechanische oder chemische Faktoren einsetzen, um sehr starke Reaktionen zu erhalten“, erklärt Thomas. „Das ganze funktioniert über die gesamte Spannbreite vom ultravioletten Licht mit 300 Nanometern Wellenlänge bis zum Infrarot mit 1.600 Nanometern.“

„Das ist eine geniale und einfache Methode, um photonische Materialien herzustellen, deren optische Eigenschaften über einen großen Bereich individuell eingestellt werden können“, erklärt Andrew Lovinger, Leiter des Polymer-Programms der National Science Foundation, die dieses Projekt förderte. Mögliche Anwendungen für Sensoren auf der Basis dieses Gels gäbe es beispielsweise in der Lebensmittelverarbeitung. Hier könnte ein Sensor anzeigen, ob ein trockenes Lebensmittel möglicherweise zu feucht geworden ist.

(Massachusetts Institute of Technology, 22.10.2007 – NPO)

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