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Chemie

Nobelpreis für deutschen Chemiker

Begründer der modernen Oberflächenchemie geehrt

Musterbildung bei der Oxidation von Kohlenmonoxid auf Platin – eine Reaktion, die Ertl erforschte und die zur Abgasreinigung in Autokatalysatoren genutzt wird. © MPG

Der deutsche Chemiker Gerhard Ertl vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin ist der Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Chemie. Ihm ist es in seiner wissenschaftlichen Laufbahn gelungen, den Ablauf mehrerer wichtiger chemischer Reaktionen auf Oberflächen im Detail zu beschreiben. Damit schuf er die Grundlagen für die moderne Oberflächenchemie.

Die Entdeckung der Oberfläche als Reaktionsgebiet

Chemiker gelten oft als Personen, die mit einem Reagenzglas in der Hand in einem Labor stehen. Doch um chemische Reaktionen zu verstehen, ist häufig viel mehr erforderlich, viele der wichtigsten Reaktionen erfolgen nicht einmal in einer Lösung, sondern in einem völlig anderen Zustand. Ein besonderer Zweig der Chemie befasst sich heute mit Reaktionen auf festen Oberflächen – und das ganz ohne Reagenzglas. Stattdessen ist ein Zugang zu modernster technischer Ausstattung wie Vakuumkammer, Elektronenmikroskop und Reinraum, kombiniert mit einer gut entwickelten und genauen Methodik gefragt.

Wenn ein kleines Molekül eines Gases eine feste Oberfläche trifft – was geschieht dann? Theoretisch wären mehrere mögliche Reaktionen denkbar: Schon zu Beginn gibt es zwei Varianten: Das Molekül kann entweder einfach abprallen oder aber vom Feststoff absorbiert werden. Der zweite Fall ist dabei derjenige, der die spannendsten und für die Wissenschaft entscheidendsten Möglichkeiten bietet. Die Interaktion des Moleküls mit den Atomen der Oberfläche kann so stark sein, dass das Molekül in einzelne Gruppen oder Atome zerfällt. Oder aber es reagiert mit der Oberfläche und verändert deren chemische Eigenschaften. Eine dritte Möglichkeit ist eine Reaktion des Moleküls mit einem bereits früher von der Oberfläche absorbierten anderen Molekül. In diesem Falle wirkt die Oberfläche als Katalysator.

Suche nach den passenden experimentellen Techniken

Die Wissenschaft über diese Art von Oberflächenchemie entstand in den 1960er Jahren in Folge der insbesondere in der Halbleiterindustrie entwickelten neuen Vakuumtechniken. Der diesjährige Nobelpreisträger in Chemie, Gerhard Ertl, war einer der ersten, der das Potential der neuen Techniken erkannte. Er entwickelte schrittweise eine Methodik für die Oberflächenchemie, indem er aufzeigte, wie verschiedene experimentelle Techniken verwendet werden können, um ein vollständiges Bild einer Oberflächenreaktion zu erhalten. Diese Wissenschaft erfordert eine ausgereifte technische Ausstattung für Hochvakuum, da man beobachten möchte, wie sich einzelne Schichten von Atomen und Molekülen auf einer extrem reinen Oberfläche aus beispielsweise Metall verhalten. Dazu muss man exakt kontrollieren können, welche Stoffe in das System hineingelassen werden. Eine Verunreinigung riskiert die gesamte Messung zu zerstören. Um ein vollständiges Bild einer Reaktion zu erhalten, ist deshalb Genauigkeit wie auch eine Kombination von vielen verschiedenen experimentellen Techniken gefordert.

Die Wüste Sahara ist seit 1920 um rund zehn Prozent gewachsen © NASA

Ertls Arbeit machte schnell Schule, da er aufzeigte, wie man zuverlässige Ergebnisse auf diesem schwierigen Forschungsgebiet erzielen kann. Seine Einsichten haben den wissenschaftlichen Grund für die moderne Oberflächenchemie gelegt; seine Methodik findet Anwendung sowohl in der akademischen Forschung wie auch in der Entwicklung von Verfahren in der chemischen Industrie. Der von Ertl entwickelte Ansatz basiert nicht zuletzt auf seinen Studien des Haber-Bosch-Verfahrens, bei dem Luftstickstoff für die Herstellung von Kunstdünger gefangen wird. Diese Reaktion, die mit einer Eisenoberfläche als Katalysator erfolgt, hat erhebliche finanzielle Auswirkungen, da gerade der Stickstoffzugang häufig begrenzend für das Wachstum ist. Ertl hat auch untersucht, wie Kohlenmonoxid auf Platin oxidiert – eine Reaktion, die zur Abgasreinigung in Autokatalysatoren erfolgt.

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Anwendungen: Vom Katalysator bis zur Ozonschicht

Die Oberflächenchemie ist wichtig für die chemische Industrie und hilft uns beim Verständnis so unterschiedlicher Vorgänge wie das Rosten von Eisen, das Funktionieren von Brennstoffzellen und die Wirkung eines Katalysators im Auto. Oberflächenchemische Katalysatoren sind in vielen industriellen Verfahren ausschlaggebend, unter anderem bei der Herstellung von Kunstdünger. Mit der Oberflächenchemie lässt sich sogar der Abbau der Ozonschicht erklären, da entscheidende Schritte in der Reaktion ausgerechnet auf der Oberfläche kleiner Eiskristalle in der Stratosphäre erfolgen. Die Halbleiterindustrie stellt einen weiteren Bereich dar, der von der Wissenschaft der Oberflächenchemie abhängig ist.

(Nobel Foundation, 10.10.2007 – NPO)

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