Eine der Hauptursachen für den Klimawandel ist der hohe CO2-Gehalt der Atmosphäre. Will man wirksamen Klimaschutz betreiben, muss man diese CO2-Belastung reduzieren. Doch wie lässt sich das realisieren, ohne gleichzeitig die Wirtschaft unter Druck zu setzen? Muss man sich vielleicht sogar für eines von beiden Zielen entscheiden: Klimaschutz oder Wirtschaftswachstum? Keineswegs, meinen Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Sie haben ein Modell entwickelt, das eine ökonomisch vertretbare Lösung des Klimaproblems aufzeigt.
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Ihr volkswirtschaftlich optimaler Mix an Möglichkeiten funktioniert allerdings nur – so das entscheidende Ergebnis der Studie -, wenn von jetzt an bis 2040 bedeutend stärker in erneuerbare Energien investiert wird als bisher geplant: das Zehn- bis Dreißigfache sollte es schon sein.
Neben den erneuerbaren Energiequellen wie beispielsweise Sonne, Wind oder Wasser untersuchten die Wissenschaftler um Ottmar Edenhofer und Hermann Held eine Reihe weiterer Optionen, die dazu beitragen könnten, die Belastung der Atmosphäre zu reduzieren. Hierzu gehören auch die Möglichkeit, Atomenergie verstärkt zu nutzen, sowie die Optionen, die Effizienz des bisherigen Energieeinsatzes zu steigern oder das Kohlendioxid in den tiefen Ozean oder in andere geologische Formationen zu versenken. Bei ihrer Beurteilung spielten dann neben den Risikofaktoren bezüglich der Wirksamkeit und der Nebenwirkungen auch die volkswirtschaftlichen Kosten eine Rolle.
Wichtig für das Modell war dabei, dass die Wissenschaftler in ihren Szenarien erstmals auch die Kostenersparnis eingerechnet haben, die sich aufgrund des technischen Fortschritts ergibt. Als Ziel ihres Modells definieren Edenhofer und Held die Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels: Bei diesem Begriff folgten sie den Empfehlungen der Europäischen Kommission: Gefährlich wird es dann, wenn die globale Erwärmung mehr als zwei Grad Celsius vom vorindustriellen Niveau abweicht.
CO2 einfangen
Klar ist für die Wissenschaftler: Es führt langfristig kein Weg an den erneuerbaren Energien vorbei. Es müsse allerdings sofort ein Mehrfaches in diese neuen Techniken investiert werden, damit die Rechnung auch aus ökonomischer Sicht aufgeht. Falls die erneuerbaren Energien wider Erwarten nicht das Kostensenkungspotential entfalteten, das sich aus dem technischen Fortschritt ergibt, sieht das Modell eine Übergangslösung darin, CO2 in geologischen Formationen, zum Beispiel in ausgelassenen Erdölfeldern, vorübergehend einzufangen.
Die ebenfalls diskutierte Versenkung im tiefen Ozean wird selbst als Notlösung nicht mehr näher in Betracht gezogen, da vor allem das Risiko für die Umwelt zu groß erscheint. Deutlich machen Edenhofer und Held auch, dass aus wissenschaftlicher Sicht der Einsatz von Atomenergie keineswegs notwendig ist, um das Problem der Klimaerwärmung in den Griff zu bekommen: Ein Ausstieg aus der Atomenergie sei durchaus volkswirtschaftlich zu rechtfertigen.
Kein Patt mehr in der Klimapolitik
Alles in allem haben die Ergebnisse des Projektes auch die Forscher selbst überrascht. Noch im Mai 2003, zu Beginn des Vorhabens, herrschte eine Patt-Situation in der Klimapolitik. Klimaschützer und Ökonomen standen sich mit scheinbar unvereinbaren Zielen gegenüber. Mit ihren Klima- und Energieszenarien, die erstmals auch den technischen Fortschritt einschließlich der jeweiligen Kostensituation einbeziehen, konnten die Wissenschaftler zeigen: Die Kosten einiger Handlungsoptionen waren bisher viel zu hoch veranschlagt. Das Patt, so Edenhofer und Held, habe sich somit aufgelöst und bislang scheinbar unveränderbare Positionen stünden sich – auch durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt – weit weniger unversöhnlich gegenüber. Die Klimadebatte gewinne zunehmend an Gestaltungskraft.
(idw – VolkswagenStiftung, 17.09.2007 – DLO)