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Biologie

Wie Stammzellen gesteuert werden

Wnt-Signalweg reguliert Alleskönner unter den Zellen

In den vergangenen Jahren haben Forscher immer mehr über die Regulation von Stammzellen und ihre Rolle bei der Selbsterneuerung und bei Reparaturmechanismen herausgefunden. Jetzt stellten sie fest, dass ein Signalweg, der die Entwicklung sowie wichtige Vorgänge des Lebens steuert, auch die Stammzellen reguliert. Dabei handelt es sich um den so genannten Wnt-Signalweg.

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„Proteine dieses Signalpfads sind bei einer Reihe von Stammzellen aktiv. Dazu gehören neuronale Stammzellen, Stammzellen der Brust sowie embryonale Stammzellen“, sagte Professor Roel Nusse von der Stanford University, USA, bei der Eröffnung der internationalen Tagung über „Wnt Signaling in Development and Disease“ im Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch.

Es gibt eine Reihe von biologischen Signalpfaden, die die Lebensvorgänge steuern. Sie sind zum Beispiel notwendig, damit sich aus einem Embryo ein gesundes Lebewesen entwickeln kann. Weiter halten sie die lebensnotwendigen Funktionen im erwachsenen Organismus aufrecht. Diese Signalkaskaden reichen von der Zelloberfläche bis in die Schaltzentrale der Zelle mit dem Zellkern und der DNA. Kommt es durch Mutationen zu Fehlsteuerungen, können die Folge unter anderem Dickdarmkrebs und Brustkrebs, aber auch Herz-, Gehirn- und andere Krankheiten sein.

Der Wnt-Signalpfad ist einer der bisher am besten erforschten Signalwege. Er spielt bei der Embryonalentwicklung, beim Zellwachstum (Proliferation) und der Zellreifung oder Zellspezialisierung (Differenzierung) eine entscheidende Rolle. Und auch, wie die Forscher jetzt wissen, bei der Steuerung von Stammzellen.

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Stammzellen vom Fließband

Stammzellen haben das Potential sich in die verschiedensten Zellen des Körpers zu entwickeln. Sie bilden aber auch das Reservoir, aus dem sich immer wieder Zellen erneuern, wie etwa Blutzellen oder Epithelzellen, die zum Beispiel die Haut bilden und die inneren Organe wie Brustdrüsen oder den Magen-Darm-Trakt auskleiden. Diese Zellen haben alle nur eine begrenzte Lebensdauer. Stammzellen sind außerdem auch die Quelle für die Regeneration von Gewebe nach Verletzungen. „Wnt-Proteine sorgen dafür, dass Stammzellen sich nicht differenzieren (spezialisieren)“, betonte Nusse. Mit anderen Worten, die Wnt- Proteine sind dafür verantwortlich, dass das Reservoir an Stammzellen nicht „austrocknet“.

Sobald der Körper jedoch Stammzellen aktiviert, müssen sie sich vermehren. „Das machen aber nicht die Wnt-Proteine, sondern andere Wachstumsfaktoren, etwa FGF (fibroblast growth factor) oder EGF (epidermal growth factor)“, erläuterte Nusse. Diese Faktoren steuern einen anderen Signalpfad, bei dem Tyrosinkinasen eine Rolle spielen, Enzyme, die Proteine aktivieren und inaktivieren können. Vor wenigen Jahren kamen zum Beispiel mit Trastuzumab (Herceptin) und Imatinib (Gleevec) Medikamente auf den Markt, die mutierte Tyrosinkinase-Signalpfade blockieren und die Behandlung von Brustkrebs, Leukämien sowie eines speziellen Magen-Darm-Tumors revolutioniert haben.

In gesunden Zellen arbeiten Wnt und Tyrosinkinasen reibungslos zusammen, damit sich die vermehrenden Stammzellen dann auch spezialisieren (differenzieren) und ausreifen. „Dieses dynamische Zusammenspiel stellt sicher, dass die Balance zwischen Zellvermehrung und Zelldifferenzierung erhalten bleibt“, betonte der niederländische Zellbiologe, der seit vielen Jahren in den USA arbeitet.

Balance gerät in Schieflage

Gerät diese Balance in eine Schieflage, können gesunde Zellen zu Krebszellen werden. Beispiele dafür sind Brustkrebs und Dickdarmkrebs. Bei 90 Prozent aller Fälle von Dickdarmkrebs beim Menschen ist ein Hauptbestandteil des Wnt-Signalwegs dereguliert, der Tumorsuppressor APC (adenomatous polypolis coli).

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In gesunden Zellen liegt das Signalprotein Beta-Catenin, ebenfalls ein Hauptspieler im Wnt-Signalpfad, angekettet an APC und weiteren Proteinen im Zellplasma. Dieser Proteinkomplex stellt sicher, dass Beta-Catenin zur richtigen Zeit im Mülleimer der Zelle, dem Proteasom, abgebaut wird.

Ist APC jedoch mutiert, löst Beta-Catenin sich aus seiner Verankerung, häuft sich im Zellplasma an und dringt dann in den Zellkern vor. Dort bindet es an den T-Zellfaktor TCF und schaltet Gene an. Dieser Vorgang gilt als Initialzündung für die Entstehung von Brust- sowie Dickdarmkrebs.

Normales Zellprogramm in gutartigen Darmgeschwulsten wiederhergestellt

Professor Hans Clevers vom Hubrecht Labor und Zentrum für Biomedizinische Genetik in Utrecht, Niederlande, erforscht, wie die Verlagerung von Beta-Catenin aus dem Zellplasma in den Zellkern gesunde Zellen in Darmkrebszellen transformiert. Vor einigen Jahren hatte er TCF, einen der Mitspieler bei diesem Prozess, entdeckt. Diese Entdeckung wurde gleichzeitig auch am MDC in Berlin-Buch von der Arbeitsgruppe von Professor Walter Birchmeier gemacht.

Wie Clevers in Berlin sagte, gelten die Verlagerung von Beta-Catenin und die Bindung an TCF zwar als Auslöser für die Krebsentstehung. „Aber eigentlich wissen wir bis heute nicht, was mutiertes und aktiviertes Beta-Catenin/TCF in Dickdarmkrebszellen wirklich macht“, sagte er.

Mit seinen Mitarbeitern entwickelte Clevers Darmkrebszellen, in denen sie einen TCF-Komplex anschalten oder blockieren können. Sie konnten zeigen, dass aktiviertes Beta-Catenin/TCF tatsächlich die Differenzierung von Darmzellen verhindert. Zellen, die nicht differenzieren, geraten außer Kontrolle und wachsen ungehemmt, was charakteristisch ist für Krebszellen.

Zellen wieder unter Kontrolle

Blockierten die Forscher aber Beta-Catenin/TCF, konnten sie in den Darmkrebszellen das Differenzierungsprogramm wieder anschalten und hatten die Zellen damit wieder unter Kontrolle. Und das, obwohl die Zellen zahlreiche andere Mutationen aufwiesen. Weiter konnten sie zeigen, dass nicht alleine die Wnt-Signalkaskaden über das Schicksal der Zellen entscheiden, sondern ein weiterer Signalpfad mitbestimmt, der Notch-Weg.

Clevers und seinen Mitarbeitern gelang es, den Notch-Pfad mit bestimmten Enzymen, Gamma-Sekretase-Hemmern, zu blockieren. Dadurch konnten sie in Geschwulsten des Magen-Darm-Trakts (Adenomen) das Zelldifferenzierungsprogramm wieder anschalten. Adenome sind gutartige Geschwulste, die aber bösartig werden können. „Unsere Daten legen nahe, dass Gamma-Sekretase-Hemmer, die zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit entwickelt werden, möglicherweise für die Therapie von Darmkrebs eingesetzt werden können“, ist Clevers überzeugt.

Der internationale Kongress im MDC gibt einen Überblick über den Stand der Forschung und einen Ausblick über die mögliche therapeutische Nutzung der bisher gewonnenen Erkenntnisse über diese Signalprozesse.

(idw – Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), 14.09.2007 – DLO)

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