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Ökologie

Gorillas vor dem Aus

Neue Rote Liste: Weltweit 16.306 Arten bedroht

Berggorilla (Gorilla beringei beringei) im Virunga Nationalpark, Kongo © WWF / Günther Merz

Die Westlichen Gorillas (Gorilla gorilla) in Zentralafrika gelten ab jetzt offiziell als vom Aussterben bedroht. Eine rücksichtslose Wilderei und das tödliche Ebola-Virus haben die Bestände dieser Menschenaffen im letzten Vierteljahrhundert um 60 Prozent schrumpfen lassen. Dies geht aus der neuen „Roten Liste 2007“ hervor, die gestern von der Weltnaturschutzunion IUCN im schweizerischen Gland veröffentlicht wurde.

„Das Artensterben geht ungebremst weiter. Die biologische Vielfalt unseres Planeten steht auf dem Spiel“, kommentierte der WWF die neue Rote Liste. Erst kürzlich hatten vom WWF unterstützte Wildhüter im Virunga Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo vier erschossene Exemplare der ebenfalls extrem bedrohten Berggorillas (Gorilla beringei beringei) aufgefunden.

WWF-Artenschützer Stefan Ziegler: „Vor fünf Jahren versprachen die Regierungen auf dem Weltgipfel in Johannesburg eine Trendwende beim Artensterben bis 2010. Seitdem ist die Zahl der Arten auf der Roten Liste um 44 Prozent von 11.167 auf 16.306 bedrohte Arten angestiegen. Eine radikale Umkehr ist nötig, um den Verlust wertvoller Lebensräume und die Ausbeutung zahlreicher Arten zu stoppen.“ Der internationale Artenschutz spiele heute nur eine Statistenrolle auf der politischen Bühne.

Eine Schluckimpfung gegen Ebola

Zum IUCN-Expertenteam gehörten auch Wissenschaftler um Peter D. Walsh vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Die Neueinordnung des Westlichen Gorillas als stark gefährdete Art basiert nicht auf der verbleibenden Anzahl von Tieren, die derzeit noch größer ist als bei anderen stark gefährdeten Arten, sondern auf dem Schwindel erregenden Populationsrückgang.

„Die Neueinordnung des Westlichen Gorillas als stark gefährdete Art stimmt uns hoffnungsvoll“, sagt Walsh: „Endlich einmal kümmern wir uns, bevor es zu spät ist. Schon eine bescheidene Finanzspritze würde reichen, um Wilderei einzudämmen, Ebola in den Griff zu bekommen und die Zukunft eines unserer nächsten Verwandten sicher zu stellen“, so der Primatologe.

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Einer der bereits mit einer Schluckimpfung versorgten Gorillas im Leipziger Zoo. © Peter D. Walsh

Wilderei und Ebola sind ein Doppelschlag gegen frei lebende Gorillas auch in Nationalparks und anderen Schutzgebieten, da erstere die zugänglichen und letztere die abgelegenen Gebiete heimsuchen. Die Experten hoffen deshalb zunächst auf eine wirksame Strafverfolgung und Anti-Wilderer-Kampagnen. „Leider wurde in den vergangenen Jahren zugunsten der Förderung ‚politisch korrekter’ Programme, wie zum Beispeil Ökotourismus, immer weniger in die Strafverfolgung von Wilderern investiert“, so Walsh. Darüber hinaus müssen effektive Ebola-Kontrollmaßnahmen eingeleitet werden: So gibt es Impfstoffe, die Laboraffen bereits erfolgreich vor Ebola geschützt haben. Um diese Impfstoffe aus dem Labor ins Freiland zu bringen, müssen aber zunächst Sicherheits- und Effektivitätsstudien mit Zootieren durchgeführt werden.

Walsh und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, vom Leipziger Zoo und vom Impfstoffwerk Dessau-Tornau, einem privaten Impfstoffhersteller, haben bereits mit Gorillas im Zoo eine Schluckimpfung durchgeführt. Momentan suchen die Forscher nach finanzieller Unterstützung um weitere Schluckimpfungen bei Zootieren sowie Impfungen in freier Wildbahn durchführen zu können.

Korallen, Algen, Geier

Als Neuzugänge auf der Roten Liste tauchen aber nicht nur die Gorillas auf. Laut dem WWF zählen dazu erstmals auch drei Korallen- und zehn Algenarten. Ihnen setzen die Folgen des Klimawandels und die Fischerei zu. Jede vierte Säugetierart, jeder achte Vogelart, jede dritte Amphibienart, jede fünfte Hai- und Rochenart und 70 Prozent aller erfassten Pflanzenarten sind gefährdet. Lediglich für eine Art – den Mauritiussittich (Psittacula eques) – ging es im letzten Jahr dank aufwendiger Schutzmaßnahmen leicht bergauf.

Bengalgeier (Gyps bengalensis) © WWF-Canon / Uzma Khan

Deutlich verschlechtert hat sich die Situation hingegen für Wollkopfgeier (Trigonoceps occipitalis) und Sperbergeier (Gyps rueppellii) in Afrika. Ein Grund sind mit Insektiziden vergiftete Kadaver, die Farmer als Köder gegen Raubtiere zum Schutz ihrer Viehbestände einsetzen, von denen jedoch auch die Geier fressen. In Pakistan setzte sich der WWF zum Schutz der Bengalgeier (Gyps bengalensis) erfolgreich für ein Verbot des Entzündungshemmers Diclofenac in der Tiermedizin ein, an dem sich Geier beim Verzehr von Haustierkadavern vergiften – dadurch war die Population an den Rand des Aussterbens geraten.

Außer Lebensraumverlust, Wilderei und Umweltgiften gefährdet auch der nicht geregelte internationale kommerzielle Handel zahlreiche Arten. So gilt in der neuen Roten Liste der bei Aquarianern beliebte Banggai-Kardinalbarsch (Pterapogon kauderni) als gefährdet. Schätzungsweise 900.000 Fische werden jährlich in indonesischen Gewässern gefangen.

(WWF World Wide Fund For Nature/MPG, 13.09.2007 – DLO)

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