Für Touristen ist ein Weltraumflug noch immer eine teure und komplizierte Angelegenheit. Doch für 30 Buntbarsch-Larven der Universität Hohenheim ist die Reise umsonst: Denn sie sollen neue Aufschlüsse über Gleichgewichtsstörungen von der Reise- bis zur Weltraumkrankheit liefern.
Der russische Weltraumbahnhof Baikonur wird am 14. September 2007 wieder einmal zum Sammelpunkt für Wissenschaftler aus verschiedensten Bereichen der Biologie und Physik. Denn der Satellit, der für ungefähr zwei Wochen ins All fliegen wird, ist Träger einer ganze Reihe von Experimenten unterschiedlicher Universitäten und FOrschungseinrichtungen.
Am 1. Februar 2003 verglühte mit der Raumfähre Columbia auch ein Experiment der Universität Hohenheim. Die Wissenschaftler Ralf Anken und Reinhard Hilbig wollten damals an 50 Fischen die Entwicklung der Gleichgewichtsorgane in der Schwerelosigkeit untersuchen. Nach diesem Misserfolg haben die Forscher eine Vielzahl gravitationsbiologischer Experimente, unter anderem auf Parabelflügen, durchgeführt und beantragten nun auf der Grundlage vertiefter Erkenntnisse, den Raumflug zu wiederholen.
In diesem September ist es soweit und es heißt für 30 Buntbarsch-Larven: Auf ins All! Ein eigens entwickeltes Lebenserhaltungssystem sorgt dafür, dass es den Fischen im All an nichts fehlt. In diesem SPezialaquarium befinden sich neben den Fischen noch Algen, die den lebensnotwendigen Sauerstoff für die Fische produzieren sollen.
Steine im Innenohr als Schlüssel
Ziel der Forschung sind neue Erkenntnisse, die unter anderem das Phänomen von Gleichgewichtsstörungen einer Klärung näher bringen sollen. Damit ließen sich möglicherweise Therapiemöglichkeiten für bisher weitgehend unerklärbare Krankheiten wie dem Menièreschen Syndrom liefern, von dem laut Schätzungen mehr als ein Prozent der Menschen betroffen sind. Bei dieser Krankheit leiden die Patienten unter schlagartig auftretendem Schwindel und Orientierungslosigkeit.
Verantwortlich dafür sind vermutlich winzige Steinchen im Innenohr, die sogenannten Otolithen.
„Für unsere Grundlagenforschung am Innenohr führen wir die Untersuchungen allerdings an Fischen durch“, erklärt Reinhard Hilbig. „Grund dafür ist, dass der Bereich im Ohr, der für die Schwerkraftwahrnehmung verantwortlich ist, bei Fischen genau wie beim Menschen funktioniert – nur dass Ohrsteinchen beim Fisch wesentlich größer sind, da er sich unter Wasser orientieren muss“.
Im Weltraum-Experiment wollen die Forscher nun klären, welche Prozesse für die Entwicklung dieser so genannten Otolithen zuständig sein könnten: „Wir nehmen an, dass sich die Steine in der Schwerelosigkeit unkontrolliert vergrößern und asymmetrisch wachsen und wenn wir nachweisen könnten, dass das Gehirn diesen Wachstumsprozess steuert, wäre dies der Ansatz für ganz neue Therapiemöglichkeiten“, so Ralf Anken.
(Universität Hohenheim, 07.09.2007 – NPO)