Die Milchstraße und alle anderen Galaxien hatten nicht von Anfang an ihre heutige Größe, sondern haben sich allmählich aus sehr viel kleineren Galaxien entwickelt. Mithilfe der Weltraumteleskope Hubble und Spitzer haben Astronomen jetzt erstmals solche „Legosteine“ des frühen Universums entdeckt und sichtbar gemacht.
Das gängige Modell der Galaxienentstehung geht davon aus, dass sich in der Frühzeit des Universums kleinere Galaxien zusammenlagerten und so nach und nach immer größere Sternenansammlungen bildeten. Bisher jedoch war es nicht gelungen, so weit ins All hinaus zu blicken, dass diese extrem kleinen und vor allem jungen Galaxienbausteine nachgewiesen werden konnten. Das Weltraumteleskop Hubble ist jedoch im Rahmen seiner „Ultra Deep Field“-Abtastung in Regionen des Weltraums vorstoßen, die mehr als 13 Milliarden Jahre alt sind. Über mehrere Monate hinweg hatte das Teleskop von September 2003 bis Januar 2004 eine kleine Himmelsregion ohne störende helle Sternen im Vordergrund systematisch durchmustert. Daraus entstand das tiefste Bild des fernen Raums im sichtbaren Licht. Bis heute entdecken Astronomen in diesen Daten immer wieder Überraschendes – so auch jetzt.
Mini-Galaxien im Deep Field
In einer Aufnahme fanden die Astronomen James Rhoads von der Arizona State Universität und Chun Xu vom Shanghai Institute of Technical Physics in Shanghai gleich neun Galaxien, die kleiner waren als jede bisher bekannte. „Sie gehören zu den kleinsten Galaxien die jemals im frühen Universum beobachtet worden sind“, erklärt Nor Pirzkal, Astronom der ESA im Team des Hubble Teleskops. Drei davon schienen leicht zerfleddert, statt rundlichen Flecken glichen sie eher kosmischen Kaulquappen. Nach Ansicht der Forscher könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass sie gerade mit benachbarten Galaxien interagieren und dabei sind, sich zu größeren Strukturen zusammenzulagern.
Um die Mini-Galaxien näher zu beobachten und um herauszufinden, ob sie tatsächlich jung genug waren, um echte Bausteine des Universum sein zu können, baten die Forscher Kollegen des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer der NASA und des Infrarot-Spektrometers der Europäischen Südsternwarte in Chile um Mithilfe. Die vom Spitzer-Teleskop ermittelten Daten über die Masse der Winzlinge bestätigten, dass diese klein genug waren, um tatsächlich als „Legosteine“ in Frage zu kommen.
Blaue Sterne und kein infrarotes Licht
Doch waren sie auch jung genug? Auch diese Annahme bestätigte sich: Hubbles Aufnahmen zeigten blaue Sterne in allen neun Mini-Galaxien, die Infrarotmessungen von Spitzer und der Südsternwarte ergaben eine auffällige Abwesenheit von infrarotem Licht. Beides gilt als Indiz dafür, dass es sich um Ansammlungen von nur wenige Millionen Jahre alten Sternen handelt. Sie verschmolzen die nach dem Urknall vorhandenen leichten Elemente Wasserstoff und Helium durch Kernfusion zu schwereren Atomen. Gleichzeitig hat dieser Prozess noch nicht lange genug angehalten, als dass die schwereren Elemente sich über die Sterne hinaus ausgebreitet haben könnten – denn diese müssten deutliche Infrarotsignale aussenden.
“Während das blaue von Hubble entdeckte Licht die Anwesenheit junger Sterne zeigt, ist es die Abwesenheit von infrarotem Licht in den Spitzer-Aufnahmen, die belegen, dass es sich hier wirklich um junge Galaxien ohne eine Generation älterer Sterne handelt“, erklärt Sangeeta Malhotra von der Arizona State Universität. Damit ist klar: Astronomen haben wie durch ein Zeitfenster in die Vergangenheit erstmals die Bausteine unserer heutigen Galaxien beobachtet – mehr als 13 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt.
(ESA/Hubble Information Centre, 07.09.2007 – NPO)