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Biologie

Mehr Status, mehr Hirn

Aufstieg in der Gruppenhierarchie verändert Hirnregionen bei Singvögeln

Dominantes (rechts) und subdominantes Mahaliweber-Männchen © Max-Planck-Institut für Ornithologie

Der Gesang prägt das Verhalten der Singvögel. Umgekehrt jedoch beeinflusst auch das Sozialverhalten den Gesang und speziell das Gesangszentrum im Gehirn. Ornithologien haben herausgefunden, dass Änderungen im sozialen Status eines Vogels – wie beispielsweise ein Aufstieg in der Gruppenhierarchie – zur Vermehrung von Nervenzellen in dieser Hirnregion führt.

In Gruppen lebende Tiere besitzen in der Regel eine ausgeprägte Dominanzhierarchie. Ändert sich der soziale Status eines Individuums, so wird oft nicht nur das Verhalten, sondern auch die Physiologie erheblich beeinflusst. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie haben am Beispiel einer Singvogelart untersucht, inwieweit sich der soziale Rang eines Tieres im Gesang und in der Morphologie der gesangskontrollierenden Gehirnzentren widerspiegelt. Ihre Ergebnisse wurden jetzt im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society of London B veröffentlicht.

Untersuchungsobjekt der Wissenschaftler war der Mahaliweber (Plocepasser mahali) aus dem südlichen Afrika. Die Vögel leben dort in Gruppen von bis zu zehn Individuen in ganzjährig etablierten Territorien. „Der Mahaliweber eignet sich besonders gut als Modell, da er ein umfangreiches und darüber hinaus status-abhängiges Gesangsverhalten besitzt“, erklärt Ornithologin Cornelia Voigt. In jeder Weber-Gruppe gibt es ein dominantes Brutpaar; alle übrigen Gruppenmitglieder sind dem dominanten Paar untergeordnet und helfen diesem bei der Aufzucht des Nachwuchses. Die dominante Position in einer Gruppe wird in der Regel ein Leben lang beibehalten.

Singen im Duett und Solo

Die Mahaliweber verfügen über zwei unterschiedliche Arten des Gesangs: Zum einen den Duettgesang, der sich bei mehr als zwei mitsingenden Tieren zum Chorusgesang ausweitet, der von allen Vögeln gesungen wird und hauptsächlich der Revierverteidigung dient. Zum anderen den ausschließlich vom dominanten Männchen jeder Gruppe präsentierten Sologesang, der meistens nur zu Sonnenaufgang während der Brutzeit zu hören ist und sehr wahrscheinlich der Kommunikation mit dem Weibchen dient.

„Beide Gesangstypen haben ein umfangreiches, aber völlig voneinander getrenntes Silbenrepertoire“, sagt Voigt. Und das bedeutet, dass dominante Männchen zwei verschiedene Gesangsrepertoires beherrschen müssen. „Sie sind sozusagen zweisprachig“, so die Forscherin. Sobald ein erwachsenes Männchen die dominante Position in einer Gruppe übernimmt, muss es zusätzlich zu dem ganzjährig produzierten Duett- und Chorusgesang regelmäßig ein Solo geben.

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Gesangszentren um 30 Prozent vergößert

Die Frage, die sich die Forscher nun stellten, war, ob sich diese Änderungen im Verhalten auch auf physiologischer Ebene widerspiegeln. Wenngleich bei den äußerlichen Körpermerkmalen keine Unterschiede zu erkennen waren, wurden die Forscher bei der Untersuchung der Gehirnmorphologie fündig. „Wir konnten zeigen, dass sich bei den dominanten Männchen die Morphologie der Gehirnzentren, die den Gesang kontrollieren, von der ihrer subdominanten Helfer-Männchen unterscheidet“, erläutert Co-Autor Stefan Leitner.

So sind die im Vorderhirn liegenden Gesangskontrollzentren, (HVC) und die so genannte RA-Region, die die Gesangsmotorik überwacht, bei dominanten Männchen um 30 Prozent größer als bei subdominanten. Darüber hinaus werden in den Zellen des HVC in Abhängigkeit vom Dominanzstatus bestimmte Gene mehr oder weniger stark abgelesen: Bei den dominanten Männchen ist die Expression von Steroidhormonrezeptoren und einiger synaptischer Proteine im Vergleich zu den subdominanten Männchen deutlich herabgesetzt.

Mechanismus noch unklar

„Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass mit der Änderung des sozialen Ranges in der Gruppe und der daraus resultierenden Verhaltensänderungen eine Umorganisation der entsprechenden Gehirngebiete im erwachsenen Vogel stattfinden muss“, fasst Leitner zusammen. Normalerweise beeinflusst die Steroidhormonkonzentration im Blut die Morphologie der Gesangskontrollzentren beim Singvogel – diesbezüglich konnten die Forscher beim Mahaliweber jedoch keine Unterschiede zwischen dominanten und subdominanten Männchen finden.

Weitere Studien sind deshalb nötig, um den tatsächlichen Mechanismus zu identifizieren, der den Umbau der Gehirnstruktur auslöst. „Fest steht, dass das Gehirn auch im erwachsenen Tier auf soziale Veränderungen mit umfangreichen, dauerhaften Umstrukturierungen neuronaler Netzwerke reagieren kann, betont Manfred Gahr, Direktor der Abteilung Verhaltensneurobiologie am Max-Planck-Institut für Ornithologie.

(MPG, 06.09.2007 – NPO)

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