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Physik

Atome gehen synchron durch die Wand

Abstoßung hält Teilchen beim Tunneln zusammen

"Eierkarton" aus Licht mit Atomen © Ohio State University

In der Quantenphysik können Atome auch durch Wände gehen. Dass dieses so genannte „Tunneln“ aber auch dann geschieht, wenn auf beiden Seiten dieser Wand zwei sich abstoßende Teilchen sitzen, dass haben Physiker jetzt erstmals im Experiment bewiesen. In „Nature“ berichten sie, dass die Atome dabei sogar so eng verbunden sind, dass sie nur gemeinsam tunneln.

„Die Theorie der Quantenmechanik sagt, dass diese zwei Atome nicht alleine tunneln können, sondern nur zusammen als Paar, obwohl sie sich gegenseitig abstoßen. In unserem Experiment können wir diesen Prozess jetzt erstmals auch direkt sehen“, erläutert Simon Fölling aus der Arbeitsgruppe Quanten-, Atom- und Neutronenphysik der Johannes Gutenberg- Universität Mainz. Die Gruppe um Professor Immanuel Bloch untersucht solche Tunnelprozesse anhand von ultrakalten Atomen, die in Lichtgittern gefangen sind. Das Ziel dabei ist, Vorgänge in echten kristallinen Materialien, wie etwa den Magnetismus, besser zu verstehen.

Ultrakalte Atome im Eierkarton

Es gehört zu den Eigenarten der Quantenmechanik, dass Materieteilchen durch eine eigentlich undurchdringliche Schranke nicht gestoppt werden, sondern sie passieren können. Der als „Tunneln“ bezeichnete Prozess wird in Mainz mit Hilfe von ultrakalten Quantengasen untersucht, die am absoluten Temperaturnullpunkt bei etwa minus 273 Grad Celsius in einem Lichtgitter festgehalten werden. „Man kann sich das so vorstellen, dass dann in dem Lichtgitter jedes Atom auf einem bestimmten Gitterplatz sitzt wie ein Ei in einem Eierkarton“, so Fölling.

Nach den Vorstellungen der klassischen Physik würden die Atome auf ihrem jeweiligen Platz unbeweglich festsitzen. Nach den Prinzipien der Quantenmechanik dagegen können sie die Lichtbarriere von einer Seite zur anderen durchlaufen. Um diesen Effekt genauer zu untersuchen, haben die Mainzer Quantenphysiker einen modifizierten „Eierkarton“ aus Licht gebaut, bei dem das Tunneln von jedem Platz nur zu genau einem der benachbarten Plätze im Gitter möglich ist. Es entsteht eine „Doppeltopffalle“, in der ein einzelnes Atom durch Tunneln zwischen den beiden Plätzen hin- und herwandern kann und dies bis in die Unendlichkeit tun würde, da keine Reibung es bremst.

Tunneln im „Doppeltopf“

Das eigentliche Interesse der Forscher liegt jedoch in der Beobachtung von miteinander wechselwirkenden Atomen. Dazu setzen sie genau zwei Atome, welche sich gegenseitig abstoßen, auf eine Seite eines Doppeltopfes. Je nachdem wie stark diese beiden Atome wechselwirken, gibt es nun zwei Möglichkeiten, wie sie sich verhalten. Im ersten Fall wird das Experiment so angelegt, dass die Abstoßung klein und die Tunnelrate, also die Häufigkeit mit der die Atome von einer Seite der Barriere zur anderen wandern können, hoch ist. Hier zeigt sich, dass die beiden Atome gleichzeitig oder nacheinander von links nach rechts und zurück tunneln.

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Im zweiten Fall ist die Wechselwirkung zwischen den beiden Atomen stärker und die Tunnelrate ist kleiner beziehungsweise die Tunnelbarriere höher. „Jetzt passiert etwas Erstaunliches: Zwischen den beiden Atomen herrscht eine starke Abstoßung, und intuitiv würde man erwarten, dass sie sich deshalb einzeln auf den Plätzen links und rechts der Barriere einrichten. Dies wäre auch ihr bevorzugter Zustand. Tatsächlich beobachtet man aber, dass sich die Atome nicht voneinander trennen und nicht einzeln tunneln. Wenn überhaupt, können sie nur gemeinsam die Barriere durchlaufen“, erklärt Fölling. Das Phänomen tritt deswegen auf, weil bei einer Trennung des Atompaars Energie frei würde, die jedoch mangels Reibungsverlusten nicht „entsorgt“ werden kann. Nach dem Energieerhaltungssatz müssen die beiden daher zusammenbleiben – „repulsively bound pairs“ oder „Paar, das durch Abstoßung zusammengehalten wird“ tauften Innsbrucker Forscher 2006 eine solche Verbindung.

In Abstoßung verbunden

Dass die beiden sich abstoßenden und doch aneinandergeketteten Atome tatsächlich als Paar tunneln können, haben die Mainzer Experimente jetzt sichtbar gemacht. Ein solcher Vorgang, bei dem das Tunneln einzelner Teilchen nicht möglich ist, das eines Paares hingegen schon, wird „Tunnelprozess zweiter Ordnung“ oder „Paartunneln“ genannt. Es ist in einer solchen Anordnung sogar möglich, dass ein Atom dazu dient, den Tunnelprozess bei einem anderen Atom auszulösen, also die Funktion eines Schalters für das Tunneln hat – ein Effekt, der für Elektronen bekannt ist und zur Verwendung in der Elektronik erforscht wird.

In erster Linie aber dient die Untersuchung komplexer Tunnelprozesse mit Atomen als Modellsystem dazu, das Verhalten von Elektronen in der Kristallstruktur gewöhnlicher Materialien besser zu verstehen: Hier bewirken Tunnelprozesse zweiter Ordnung von Elektronen die gemeinsame Ausrichtung der sogenannten Spins im Material und erzeugen damit in vielen Materialien deren magnetische Eigenschaft.

(Universität Mainz, 31.08.2007 – NPO)

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