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Medizin

Zucker als Schlüssel für Autoimmunkrankheiten

Ein bestimmtes Molekül kann Arthritis oder Multiple Sklerose auslösen

Forschern der Universität Erlangen-Nürnberg ist es gelungen, ein Zuckermolekül zu entschlüsseln, das Autoimmunkrankheiten wie zum Beispiel Arthritis oder Multiple Sklerose auslösen kann. Die neuen Ergebnisse könnten zu besseren Therapien gegen diese Erkrankungen führen, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

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Wie werden Antikörper von der Immun-Polizei zu aggressiven Gegnern des Organismus? Dieser Frage ging das Forscherteam um Professor Dr. Falk Nimmerjahn vom Institut für Experimentelle Immunologie und Immuntheraphie auf den Grund. Normalerweise erkennen Antikörper zerstörerische Mikroorganismen wie Bakterien und Viren und schützen den Körper so vor unerwünschten Eindringlingen. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich Antikörper plötzlich gegen gesundes Gewebe und beginnen, dieses zu zerstören. So werden sie zu so genannten Autoantikörpern, die Erkrankungen wie Arthritis oder Multiple Sklerose zur Folge haben.

Die Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg fanden heraus, dass bestimmte Zuckermoleküle über die zerstörerische Aktivität von Autoantikörpern entscheiden. Denn neben Eiweißbausteinen enthalten Antikörper auch Zuckerseitenketten, die maßgeblich dazu beitragen, dass die Antikörpermoleküle funktionieren. Die Zuckerseitenketten bestehen wiederum aus mehreren Zuckerresten, so zum Beispiel Sialinsäure und Galaktose.

Wenn die Immun-Polizei zum Gegner des Organismus wird

„Obwohl schon seit längerem bekannt ist, dass bei Autoimmunpatienten vermehrt Antikörper mit bestimmten Varianten dieser Zuckerketten vorkommen, wurden diese Befunde weitgehend ignoriert“, erläutert Nimmerjahn die Ausgangsbasis seiner Forschungsarbeit. „Wir wollten herausfinden, welche Rolle die Veränderungen der Antikörper spielen und ob sie überhaupt ausschlaggebend für die Entstehung oder die Intensität der Erkrankung sind.“

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Welchen Einfluss die veränderten Zuckerseitenketten haben, zeigten die Untersuchungen der Erlanger Wissenschaftler: Zusammen mit der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Jeffrey Ravetch von der Rockefeller Universität, New York, wiesen sie in Versuchen an Mäusen nach, dass insbesondere Sialinsäurereste eine Schlüsselfunktion haben. Wenn diese Zuckerreste in den Antikörpern fehlen, können die Autoantikörper ihr zerstörerisches Potential voll entfalten – so geschieht es bei Autoimmunpatienten.

Bessere Therapien für Autoimmunpatienten

Die Erlanger Wissenschaftler entdeckten jetzt entgegen bisheriger Vermutungen, dass nicht Serumproteine, sondern bestimmte zelluläre Rezeptoren, so genannte Fc-Rezeptoren, verantwortlich sind für die zerstörerische Aktivität der Autoantikörper. Zusammen mit früheren Studien zeigen diese Ergebnisse neue Möglichkeiten für die Therapie von Autoimmunerkrankungen auf: Zum einen könnte die Interaktion der selbstreaktiven Antikörper mit Fc-Rezeptoren blockiert werden, zum anderen könnten Veränderungen in den Zuckerresten dieser Antikörper einen Therapieansatz liefern. Gegen Autoimmunerkrankungen werden derzeit intravenöse Hochdosistherapien mit IgG-Immunglobulinen, so genannte IVIG-Therapien, angewendet.

Das Therapiemittel ist ein Serum, das aus dem Blut vieler tausender Spender gewonnen wird. Die Hochdosistherapien drosseln die Aktivität der Antikörper und unterdrücken die selbstzerstörerischen Prozesse der Autoimmunerkrankung. Die Forschungsergebnisse der Erlanger Wissenschaftler liefern nun Ansätze, wie man das sehr teure Blutprodukt durch einfacher herzustellende Medikamente ersetzen könnte. „Bei unseren Untersuchungen im Tiermodell stellte sich heraus, dass eine Anreicherung des IVIG-Präparates mit Sialinsäure-reichen IgG-Antikörpern eine zehn bis zwanzigfach verbesserte Wirkung des Mittels zur Folge hatte“, sagt Nimmerjahn.

Zuckerrest Sialinsäure ausschlaggebend für Autoimmunerkrankungen

Die in Science veröffentlichte Studie des Erlanger Wissenschaftlers zeigte, dass nicht wie bisher vermutet der Zuckerrest Galaktose, sondern Sialinsäure ausschlaggebend ist für die Regulation der Antikörperaktivität. Autoimmunpatienten haben zu wenig Sialinsäure, daher kommt es bei ihnen zu einer starken Interaktion mit Fc-Rezeptoren und zur Zerstörung von gesundem Gewebe. Derzeit untersucht Nimmerjahns Team, wie es zu der Fehlregulation bei Autoimmunerkrankungen kommt, um weitere Therapieansätze zu entwickeln.

Bevor die neuen Therapien beim Menschen zur Anwendung kommen, werden die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt das Potential der neuen Therapiewege in Maus- Modellsystemen untersuchen.

(idw – Universität Erlangen-Nürnberg, 14.08.2007 – DLO)

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